Energie-Konferenz:Mit Wind und Wasser gegen den Klima-Schock

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Am weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien führt ökologisch und ökonomisch kein Weg vorbei.

Von Wolfgang Roth

Die Richtung stimmt, aber es geht nur im Schneckentempo vorwärts: So kommentierte Hartmut Graßl, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, vor zwei Jahren die Ergebnisse der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Südafrika.

Das war fast noch ein gnädiges Urteil für den Kampf gegen den Klimawandel. Denn die USA, Australien und die Erdöl-fördernden Staaten der Opec hatten in Johannesburg konkrete Zielvorgaben für die globale Energiepolitik verhindert.

Ebenso wenig war es gelungen, bis zum Jahr 2010 einen Anteil von mindestens 15 Prozent für erneuerbare Energiequellen festzuschreiben. Aus diesem Scheitern erwuchs die Bonner Konferenz, zu der von Dienstag bis Freitag über 2000 Teilnehmer aus allen Erdteilen erwartet werden, darunter alleine mehr als 100 Minister.

Eingeladen hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder noch in Johannesburg, und dort hatte sich auch jener Kern von Staaten gebildet, der von der deutschen Gruppe als "Koalition der Willigen" bezeichnet wird. Mittlerweile sind fast 100 Nationen dabei, unter ihnen alle Staaten der erweiterten EU.

Bündnisse dieser Art wurden notwendig, weil das Einstimmigkeitsprinzip in der globalen Umweltpolitik jeden Fortschritt zu ersticken drohte. Auch wollen die beteiligten Staaten das zusehends unüberschaubare Thema so besser in den Griff bekommen.

Schließlich hatte spätestens das Mammuttreffen in Südafrika gezeigt, dass der 1991 auf dem Umweltgipfel von Rio unter dem Motto "Umwelt und Entwicklung" begonnene Marsch in einer Sackgasse zu enden droht, wenn von der biologischen Vielfalt bis zum Trinkwasser, von der Energieversorgung bis zur Chemikalienpolitik alles auf einmal verhandelt wird.

In Bonn, wo Umweltminister Jürgen Trittin und Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Federführung haben, geht es deshalb nur um erneuerbare Energie - doch das ist umfassend genug. Das Logo der Konferenz unter dem englischen Schlagwort Renewables 2004 zieren fünf farbige Symbole für die Nutzung von Sonne, Wind, Erdwärme, Wasserkraft und Biomasse.

Wie wichtig die verstärkte Förderung dieser Energieträger ist, belegt schon eine einzige Zahl: Weltweit haben schätzungsweise zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer regulären Energieversorgung. Genauso deutlich zeigen zwei Trends, dass an effizienter genutzter und aus erneuerbaren Quellen gespeister Energie kein Weg vorbei führt:

Je mehr die Staaten der Zweiten und Dritten Welt die Industrie-Nationen nachahmen, je stärker sie auf Kohle, Öl und Erdgas setzen, desto brisanter werden die Folgen des Klimawandels. Und: Diese fossilen Reserven schwinden, was zu Engpässen, aber auch zu höheren Preisen führt.

Das Gegenkonzept, das in Bonn befördert werden soll, setzt auf eine dezentrale Versorgung, die, je nach klimatischen und geologischen Bedingungen, auf diesen oder jenen Energieträger setzt. So ist abseits der dicht besiedelten Länder und der Anballungen im Rest der Welt ein Stromnetz kaum rentabel zu betreiben.

Dagegen reicht schon eine kleine Solaranlage aus, um in einer afrikanischen Siedlung zumindest die Pumpe zu speisen, die trinkbares Wasser zu Tage fördert und damit Krankheit und Tod verhindert.

"Energie ist der Schlüssel für Wertschöpfung in den Entwicklungsländern", sagt Agrarministerin Renate Künast, die ebenfalls an der Konferenz teilnimmt: "Erst wenn die Menschen dort Rohstoffe verarbeiten, schaffen sie Produkte, mit denen sie Geld verdienen."

"Marktplatz der Ideen"

Vom Kleinen bis zum Großen, so hofft nicht nur die deutsche Regierung, könnte das Bonner Treffen Impulse geben. Solare Kraftwerksgiganten stehen vorrangig in Kalifornien, sie sind die Oldtimer der Branche. Der Sonnengürtel der Erde aber ist breiter.

Warum entstehen solche Kraftwerke nicht in Nordafrika oder Südamerika? Und warum stehen Windräder so oft im deutschen Binnenland, wo sich viele Menschen an ihnen stören, nicht aber in windigeren Gegenden der Erde, in denen sich Fuchs und Hase Gutenacht sagen?

Solche Fragen sollen in Bonn beantwortet werden, im Plenum der Konferenz, aber auch etwa auf einem "Marktplatz der Ideen" und in den vielen Foren, in denen sich Politiker, Technikfirmen, Banker und Umweltschutz-Organisationen begegnen.

Am Ende des Treffens sollen sich die Teilnehmer in einer "Deklaration von Bonn" zur globalen Energiewende bekennen. Die Geschichte der globalen Umweltpolitik aber hat zur Genüge gezeigt, dass solche Resolutionen nur wenig wert sind, wenn sie nicht durch konkrete Zielvorgaben ergänzt werden.

Auf der Bonner Agenda steht die Vorgabe, bis zum Jahr 2015 einer Milliarde von Menschen Strom und Wärme mit Hilfe erneuerbarer Energie zu verschaffen; bis 2050 soll deren Anteil gegenüber den fossilen Quellen, zu denen auch das Uran der Kernkraftwerke zählt, von derzeit knapp 20 auf 50 Prozent steigen.

Doch auch sagt wenig aus, wenn keine verbindlichen Maßnahmen zur Umsetzung vereinbart werden. So dürfte das Spannendste an dieser Konferenz sein, inwieweit sich in der "Koalition der Willigen" Bündnisse für konkrete Projekte anbahnen.

© SZ vom 29.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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