Emigration Deutscher in die Schweiz:Bekenntnisse eines Einheimischen

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Was haben die Schweizer bloß gegen all die Deutschen, die in ihr Land ziehen? Eine Spurensuche des SZ-Magazins.

Bruno Ziauddin

Der Engländer sagt "car" für Auto, der Franzose "table" für Tisch und der Schweizer "Tschopen" für Jackett. Das Wort kennt bei uns jeder. Außer der Verkäuferin in dem neu eröffneten Kleidergeschäft am Stadtrand Zürichs. Sie brachte der Kundin eine Handtasche. Die Verkäuferin war eine Deutsche.

Der neuste Fall flagranter Kultur- und Sprachignoranz wurde von der Gratiszeitung 20 Minuten aufgedeckt. Das Massenblatt veröffentlichte in der Folge das Ergebnis einer Umfrage, wonach 79 Prozent der Leser sich daran stören, "wenn das Verkaufspersonal kein Schweizerdeutsch versteht". Harmlose Umfrage, eindeutiges Resultat. Einige Wochen zuvor war der Sonntagsblick, das Pendant zur Bild am Sonntag, ein bitzeli direkter geworden: "Gibt es zu viele Deutsche in der Schweiz?" 66 Prozent sagten: ja.

Haben wir Schweizer also einen "Deutschen-Hass", wie die Frankfurter Rundschau leicht eingeschnappt behauptet? Blödsinn. Sonst wären kaum 20.000 Schweizerinnen und Schweizer mit jemandem aus dem "großen Kanton" verheiratet, wie die Älteren hier sagen. Allerdings...

Max ist Basler und arbeitet als Pfleger in einem mittelgroßen Krankenhaus in seiner Region. Dazu muss man wissen, dass von den 177.000 Deutschen, die mittlerweile in der Schweiz leben (das sind vierzig Prozent mehr als vor fünf Jahren), sehr viele im Gesundheitswesen tätig sind, wo die Löhne höher und die Arbeitszeiten kürzer als daheim sind und dem es an einheimischen Fachkräften fehlt. Am Inselspital in Bern beispielsweise sind ein Drittel der knapp tausend Ärzte Deutsche.

Deutsche Wendehälse

Was ihn am meisten störe, sagt Max: dass die Deutschen so hierarchiegläubig seien. "Wenn der Chef etwas sagt, dann ist es so. Da wird nie etwas hinterfragt." Weil sie unentwegt nicken, wenn der Chef etwas sagt, würden die Deutschen von den Schweizer Kollegen Gummihälse genannt.

Was Max fast noch mehr stört: dass sie so berechnend seien. Wenn beim Rapport frühmorgens der Stationsleiter anwesend ist, dann könne man sicher sein, dass sich die deutschen Assistenzärzte für jeden noch so unangenehmen Job freiwillig melden. Ist aber der Stationsleiter nicht dabei, dann würden sie sich selbst vor Aufgaben drücken, die eindeutig zu ihrem Pflichtenheft gehören.

Doch am allermeisten stört Max "der Befehlston, den viele draufhaben". Einmal habe er einem von der ganz zackigen Sorte geantwortet: "Wir sind hier nicht bei der Wehrmacht." Dann war Ruhe. Was hinzukomme: Die Deutschen seien den Schweizern rhetorisch häufig überlegen. "Und das nutzen sie schamlos aus." Das heiße aber noch lange nicht, "dass sie heller auf der Platte sind". Oft töne es bloß besser. Alles in allem, resümiert Max, sei sein Verhältnis zu den Deutschen ambivalent.

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