Einbürgerungstest:Dipl.-Deutsche

Lesezeit: 2 min

Der bundeseinheitliche Einbürgerungstest kommt. Wer ihn nicht besteht, erhält künftig keinen deutschen Pass. Doch ein Bundesland schert bereits vor dem Kabinettsbeschluss aus.

Kathrin Haimerl

Was wollte Willy Brandt mit seinem Kniefall 1970 ausdrücken? Was heißt Strafmündigkeit bei Jugendlichen? Wie viele Bundesländer hat die Bundesrepublik? Unter anderem solche Fragen müssen Bewerber um die deutsche Staatsangehörigkeit künftig beantworten. Nur wer den Einbürgerungstest besteht, kann künftig auf einen deutschen Pass hoffen. Vom 1. September an soll es den bundeseinheitlichen Test geben.

Ausländische Bürger mit Einbürgerungsurkunden vor dem Frankfurter Rathaus. Vom 1. September an erhalten Bewerber den deutschen Pass nur noch mit bestandenem Test. (Foto: Foto: AP)

Kritik hagelt es nun aus SPD und Opposition: Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, derart wichtige und sensible Fragen wie der Einbürgerungstest müssten intensiv innerhalb der Koalition besprochen werden. Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, bemängelte, die Tests würden die vorhandenen Defizite nicht beheben.

"Grundsätzliche Bedenken" meldete Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele an. "Ich fürchte, dass viele Deutsche den Test auch nicht bestehen würden. Fragen nach der Strafbarkeit ab 14 Jahren oder dem Kniefall von Willy Brandt verfehlen das Ziel", sagte er der WAZ. Auch die FDP zweifelt den Sinn eines solchen Tests an: "Derjenige, der gut auswendig lernen kann, kann solch einen formelhaften Test leicht bewältigen", sagte die Sprecherin für Integration und Migration der FDP-Bundestagsfraktion, Sibylle Laurischk. Andere Menschen seien möglicherweise benachteiligt.

Der Test stützt sich auf eine gesetzliche Neuregelung des Staatsangehörigkeitsgesetz, die im Oktober 2007 in Kraft trat. Demnach solle der Einbürgerungstest sicherstellen, dass Bewerber über die sprachlichen Kenntnisse hinaus auch über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügen. Des Weiteren müssen Bewerber vor der Übergabe der Einbürgerungsurkunde ein Gelöbnis leisten: "Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte."

Verfassungsrechtliche Bedenken indes wie beim sogenannten baden-württembergischen "Gesinnungstest" melden Experten nicht an. Soweit derzeit bekannt ist, soll der bundeseinheitliche Test lediglich Wissen abprüfen. Acht Fragen hat das Innenministerium veröffentlicht, die restlichen 302 werden gegenwärtig vom Institut für Qualtitätsentwicklung im Bildungswesen an der Berliner Humboldt-Universität getestet. Aus den insgesamt 310 Fragen werden Prüfungsbögen mit jeweils 33 Fragen für die Bewerber erstellt.

Missverständliche Fragen

Baden-Württemberg kündigte unterdessen an, zusätzlich zum neuen Verfahren weiter den Gesinnungstest durchzuführen. Mit der Einführung des sogenannten Muslimtests 2006 hatte das Bundesland die Debatte um die Einbürgerungstests angestoßen. Der baden-württembergische Leitfaden soll die Einstellung von Einbürgerungswilligen, insbesondere aus islamisch geprägten Ländern, zum deutschen Staat abfragen.

Dagegen gibt es anhaltende Kritik. So etwa schreibt der Rechtsanwalt Rolf Gössner in einer Stellungnahme im Auftrag unter anderem des Zentralrats der Muslime in Deutschland: "Ausgerechnet für die Prüfung der Verfassungstreue wird ein Fragebogen eingesetzt und eine Prozedur gewählt, die dem Geist, den Prinzipien und den Grundrechten der Verfassung widersprechen."

Anders als Baden-Württemberg geht Hessen keinen Sonderweg. Zwar hatte das Innenministerium in Wiesbaden ebenfalls 2006 einen Entwurf für einen Test vorgelegt, dieser kam aber nie zur Anwendung. Juristen haben hier bereits 2006 erhebliche Mängel entdeckt: In einem Aufsatz in der Neuen Juristischen Wochenzeitschrift beispielsweise meldeten Experten Zweifel daran an, ob von einzubürgernden Ausländern neben Kenntnissen der deutschen Sprache auch Kenntnisse über die deutsche Kultur zu verlangen sind. Darüber hinaus zeigten die Juristen Markus Artz und Florian Geyer auf, dass viele der Fragen missverständlich formuliert sind.

So etwa die Frage: "Welche Voraussetzungen muss man erfüllen, um deutscher Staatsbürger zu werden?" Die richtige Antwort den Forschern aus Trier zufolge wäre gewesen: "Deutscher Staatsbürger kann man nicht mehr werden." Denn das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht spreche nicht von Staatsbürgerschaft sondern von Staatsangehörigkeit. Den Begriff des Staatsbürgers habe es nur in der DDR gegeben.

Inwiefern die neuen Fragen des bundeseinheitlichen Einbürgerungstests bei Juristen ähnliche Zweifel hervorrufen, bleibt offen. Fest steht: Die Fragen basieren laut Innenministerium nicht auf dem Entwurf, den das Bundesland Hessen vorgelegt hat. Mitte Juli wird das Kabinett über die Einbürgerungsverordnung beschließen. Der Sonderweg Baden-Württembergs indes stellt das bundesweit einheitliche Verfahren bereits vor dem Beschluss in Frage.

© sueddeutsche.de/hai/AP/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: