Eduard Schewardnadse:Ein willkommener Gast

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Über die Rolle des zurückgetretenen georgischen Präsidenten Schewardnadse bei der deutschen Einigung.

Von Joachim Käppner

(SZ vom 25.11.2003) — Die Auffassung, dass Männer Geschichte machen, gilt unter Historikern heute als hoffnungslos altmodisch. Zu den wenigen, von denen sich dennoch sagen lässt, ohne sie seien epochale Umwälzungen nicht möglich gewesen, gehört Eduard Schewardnadse.

Der damalige Außenminister der UdSSR spielte als wichtigste Stütze des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow eine Schlüsselrolle bei der friedlichen Einigung beider deutscher Staaten. Den Georgiern galt ihr Staatschef zuletzt als korrupter Despot.

In Deutschland blieb Schewardnadse hoch geachtet und wäre deshalb, so Regierungssprecher Bela Anda, "wegen seiner Verdienste um die deutsche Einheit" ein willkommener Gast.

Es bleibt das historische Verdienst des Perestrojka-Duos im Kreml, sich der Wiedervereinigung nicht entgegengestemmt zu haben. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel - eine Folge, aber keineswegs angestrebtes Ziel der sowjetischen Reformpolitik -, war die DDR Frontstaat des Warschauer Paktes, hunderttausende sowjetischer Soldaten standen im Land.

Schewardnadse soll sogar getobt haben, als er Anfang Dezember 1989 beim Besuch seines Kollegen Hans-Dietrich Genscher in Moskau mit Kanzler Helmut Kohls 10-Punkte-Plan zur deutschen Einheit konfrontiert wurde: "Nicht einmal Hitler hat sich derartiges erlaubt."

Realpolitischer Kurs im Kreml

Und doch setzte er im Kreml einen höchst realpolitischen Kurs der Kooperation mit dem Westen durch. Im Februar 1990 versicherten er und Gorbatschow US-Außenminister George Baker in Moskau, dass die Deutschen selber über ihre Zukunft bestimmen dürften. Gorbatschow und Schewardnadse waren bald mehr Getriebene als Gestalter eines unwiderruflichen Prozesses, der ohne sie unmöglich gewesen wäre.

Noch am 6.März 1990 sagte Schewardnadse dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow, eine Vereinigung nach Artikel 23 des Grundgesetzes sei "unannehmbar und illegitim".

Im Mai, bei den Zwei-plus-Vier-Gesprächen zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier früheren Siegermächten in Bonn, lehnte er einen Verbleib Deutschland in der Nato ab. Doch waren dies Rückzugsgefechte. Für ihr Entgegenkommen erwartete und erhielt Moskau deutsche Wirtschafts- und Finanzhilfe, die den Zerfall der UdSSR aber auch nicht mehr verhinderte.

"Ohne die mutige Politik von Gorbatschow und Schewardnadse", sagte Genscher im September 2000 zum 10. Jahrestag des Zwei-plus-Vier-Vertrages, den der Georgier für die UdSSR unterschrieben hatte, wäre Deutschlands Einheit nicht möglich gewesen: "Sie haben Europa und die Welt zum Besseren verändert." Manchmal machen Männer eben doch Geschichte, auch wenn diese für sie ein trauriges Ende nimmt.

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