Edmund Stoiber:Der Mann, der die Akten fraß

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Den Ruf des "Aktenfressers" hat er sich redlich erworben. Wenn andere längst zuhause waren, arbeitete er noch im Büro, fand sich ein in Vorlagen und Entwürfe. Das war seine Welt. Edmund Stoibers Welt.

Hans-Jürgen Jakobs

Immer mehr wissen als andere, immer schneller sein mit der wichtigen Information - das sicherte ihm im politischen Wettbewerb den nötigen Vorsprung. So wurde Edmund Stoiber der Sklaventreiber der CSU, einer, der in seinem Machtsystem alle gefangen hatte.

Er selbst begriff wohl sich als einzig legitimer Sachverwalter des Erbes von Franz Josef Strauß, dem er lange als bayerischer Staatskanzleichef gedient hat. In 14 Jahren Ministerpräsidentschaft konnte Stoiber manches zeigen, was Strauß selig Freude gemacht hätte - doch das Ende seiner Allmacht bekam er nicht mit.

Ein Machtverlust war nicht eingeplant in der Karriere des Christsozialen, der im oberbayerischen Oberaudorf aufwuchs und seit 1968 mit Karin Stoiber verheiratet ist. 1971 beendet er sein juristisches Staatsexamen mit Bestnote, seine Promotion handelte vom "Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme".

Es begann seine Karriere in Münchner Ministerien und zugleich der unaufhaltsame Aufstieg in der bayerischen Dominanzpartei CSU. In der Strauß-Ära war er von 1978 bis 1983 dort Generalsekretär und erwarb sich die Schmuckbezeichnung "blondes Fallbeil" durchaus redlich. 1989 wurde er stellvertretender CSU-Vorsitzender und stieg im Januar 1999 zum Primus der Partei auf. Er löste Theo Waigel ab, den er im Ringen um die Staatskanzlei bereits 1993 ausgebootet hatte.

Die Kunst der politischen Intrige schien Stoiber so geläufig, dass Parteifreunde und Parteifeinde ihm manches zutrauten. Gegenüber der CDU-Chefin Angela Merkel konnte er sich vor fünf Jahren im Vorfeld des Bundestagwahlkampfs durchsetzen und wurde Kanzlerkandidat der Union. Zum Regierungsamt landete es dann bekanntlich knapp nicht, dabei hatte der Bayer in Berlin schon gefeiert.

Wieder Erster sein im Leben

Später hätte Stoiber Präsident der EU-Kommission werden können, doch er wollte nicht lassen von seinem CSU-Machtapparat - auch nicht, als nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 die Große Koalition ihm einen Platz als Superminister frei räumte. Im letzten Moment floh er zurück nach München. Die schleichende Demontage des Einser-Juristen begann.

Stoiber war stets ein Industriepolitiker, einer der dem Staat in der Marktwirtschaft eine starke Stellung zubilligte und wie Strauß große Wirtschaftszweige systematisch förderte. Alles schien planbar, beherrschbar in seiner Regentschaft.

Zum Schluss nahm er sich das Ziel der totalen Haushaltssanierung vor. Wieder wollte er Erster sein im Leben, wieder Primus inter pares - doch dass es um ihn einsam geworden war, das bekam er nicht rechtzeitig mit.

Für Kabarettisten und Spötter wird sein Abgang ein Verlust sein: Aus verunglückten Rede-Passagen des Ministerpräsidenten ließen sich nun mal schöne Gags bauen.

Im Heimatort Wolfratshausen aber hat der Politiker Stoiber nun mehr Zeit für seine Frau, für die drei Kinder, Enkel, seinen Lieblingsklub FC Bayern (er sitzt im Verwaltungsrat) und die von ihm geliebten Gebirgsschützen.

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