Editorial:Chemie der Enthüllung

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Im Zeitalter der Terabyte-Enthüllungen wird eines immer wichtiger: Vertrauen.

Als die Panama Papers veröffentlicht wurden, hat Michael Forsythe von der New York Times wutschnaubend darüber berichtet. Denn seine Zeitung war nicht Teil des Pools Dutzender Medien, die das Datenleck gemeinsam auswerten. Er war außen vor, konnte nur abschreiben, was andere Medien berichteten. Das ist kein gutes Gefühl für einen Journalisten. Lieber deckt man selbst Dinge auf und lässt andere abschreiben. Glück für den New Yorker Kollegen: Der Süddeutschen Zeitung wurden wieder Millionen Dokumente aus Steueroasen zugespielt - die Paradise Papers. Und diesmal war auch die New York Times Projektpartner, Michael Forsythe somit Teil des Teams.

"Wir mussten lernen, zu teilen", schreibt Forsythe in einem Making-of seiner Zeitung. Das widerspricht der klassischen investigativen Schule, dass der Reporter alleine loszieht, monatelang einen Skandal aufarbeitet und ihn dann enthüllt. Aber im "Zeitalter der Terabyte-Enthüllungen", so nannte das mein Kollege Hans Leyendecker mal, ist Zusammenarbeit wichtiger. Gerade Recherchen über Steueroasen und Finanzgeschäfte in vielen Ländern können Journalisten nur leisten, wenn sie auch international kooperieren und ihr Wissen teilen.

Bei der New York Times arbeiten einige der besten Journalisten der Welt. Und sie brachten sich ein wie Kollegen von Zeitungen aus fernen Ländern, die in Deutschland völlig unbekannt sind. "Aus Wettbewerbern wurden Kameraden", schreibt Forsythe. Geholfen habe dabei auch das Planungstreffen, bei uns in den Räumen der Süddeutschen Zeitung. Nur wenn die zwischenmenschliche Chemie stimmt, nur wenn das Vertrauen da ist, können Journalisten so zusammenarbeiten. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hat den ganzen Laden mit rund 400 Kollegen in fast 70 Ländern zusammengehalten.

In dieser Ausgabe finden Sie alle Artikel, die bisher aus den Paradise Papers entstanden sind. Es sind schon recht viele, hat eine Kollegin mir die Woche gesagt - aber als sie angefangen habe zu lesen, konnte sie gar nicht mehr aufhören. Ich hoffe, es geht Ihnen ähnlich.

Bastian Brinkmann,

Chef vom Dienst für das Projekt Paradise Papers

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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