Dutschke, Bachmann und die Stasi:"Vorlaut und rüpelhaft"

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Eine IM-Akte "Bachmann" gab es zwar nicht. Doch selbstverständlich interessierte sich die Staatssicherheit auch für den Dutschke-Attentäter. Was wusste die Stasi über ihn?

Jochen Arntz

Marianne Birthler hat nichts Falsches gesagt. Die Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde erklärte am vergangenen Dienstag in Berlin, es gebe keine IM-Akte über Josef Bachmann - über jenen Mann, der Ostern 1968 auf Rudi Dutschke schoss.

Passanten am Ort, wo Bachmann den Studentenführer niedergeschossen hatte. Rudi Dutschkes Fahrrad und Tasche lagen noch auf dem Bürgersteig. (Foto: Foto: dpa)

Aber Birthler hat nicht alles gesagt. Denn selbst wenn es über Bachmann keine IM-Akte gibt - oder besser gesagt, wenn bislang keine gefunden wurde - hat Birthler über den Attentäter ja schon ein bisschen was zu bieten.

Denn selbstverständlich interessierte sich der alles wissen wollende Erich Mielke für den Arbeiter Bachmann, der mit seiner Pistole den bekanntesten Studentenführer der Welt töten wollte.

Die Berichte über Josef Bachmann ließ er sich sogar "kurzerhand" in sein Büro bringen, also schnell und persönlich, wie auf den Stasi-Papieren vermerkt wurde, die in den Birthler-Archiven liegen. Schon in den neunziger Jahren hatte die Behörde, die damals noch Gauck-Behörde hieß, Kopien des Materials herausgegeben, das sie über Bachmann besaß.

Doch wer fragte da schon nach ihm? Damals wusste ja noch keiner, dass Karl-Heinz Kurras, der den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, ein Stasi-Mann war.

Da ahnte auch kaum jemand, dass die Geschichte der Studentenbewegung vielleicht doch etwas anders gesehen werden kann. Damals, als die Hinterbliebenen Dutschkes noch nicht öffentlich forderten, man solle klären, ob auch dessen Attentäter ein Stasi-Mann gewesen sei. Aber heute, da man weiß, was der Spitzel Kurras tat, stellt sich die Frage, da stellt sie auch der jüngste Sohn von Rudi Dutschke. Und die Birthler-Behörde kann durchaus ein paar detaillierte Antworten auf diese Frage geben.

In den Papieren für Erich Mielke zeigt sich allerdings, dass die Stasi zunächst wohl herzlich wenig über Josef Bachmann wusste, der aus dem Vogtland stammte und mit seiner Familie Mitte der fünfziger Jahre in den Westen geflohen war.

Denn zwei Tage nach den Schüssen auf Dutschke, am 13. April 1968, fasst die Stasi-Zentrale zusammen, was die untergeordneten Dienststellen in aller Eile über Bachmann und seine Familie zusammengetragen hatten. Mielke erfährt, dass Bachmann ein "uneheliches Kind" und von "ungenügendem Intellekt" sei, sein Stiefvater gelte als "arbeitsscheues Element". Die Mutter habe erklärt, für "Kommunisten und Bolschewisten" nichts übrig zu haben und sei nationalsozialistisch erzogen worden: "So gab es im Garten des elterlichen Grundstückes während der Nazizeit einen besonderen Platz, wo zu besonderen Anlässen zwölf große Fahnen aufgestellt wurden." Der "Hitler-Hügel".

So viel zur Familie. Und Bachmann selbst habe schon in der Schulzeit immer wieder Anlass zum Tadel gegeben, er war "vorlaut und rüpelhaft".

Was Mielke da auf gut zwanzig Seiten lesen kann, ist dürftig, manchmal banal. Auch ein Spiegel-Artikel über Josef Bachmann liegt der Akte bei; vielleicht weil die Redakteure des Nachrichtenmagazins mehr über Bachmann zu Tage gefördert hatten als die Stasi-Spitzel im Vogtland.

So legt die Akte nahe, dass der Dutschke-Attentäter für die Staatssicherheit der DDR ein Unbekannter war - bis er zur Pistole griff. Und das ist ja auch eine Antwort auf die Frage, ob Bachmann im Auftrag des Ostens morden sollte. Denn: Wen man nicht kennt, kann man schlecht beauftragen.

Das hätte Marianne Birthler anhand der Unterlagen in ihrem Archiv durchaus etwas detaillierter erläutern können, als sie es tat. Aber ist sie eben ein wenig zurückhaltend in diesen Dingen. Und vielleicht gibt es ja doch noch mehr über Bachmann, irgendwo in den Magazinen der Behörde.

Kuriose Aussage des Defa-Direktors

Dieser letzte Zweifel ist immer angebracht. Denn in der Akte Bachmann findet sich auch die kuriose Aussage eines Direktors der Defa-Filmstudios der DDR.

Der gab am 20. April 1968 zu Protokoll, er habe in einem Gespräch mit einem Westberliner folgendes erfahren: "Wir, das heißt, die DDR, mögen uns nicht wundern, wenn in den nächsten Tagen in der westdeutschen Presse bekannt würde, dass Bachmann (der Dutschke-Attentäter) Ostkontakte gehabt habe."

Ganz schön spannend. Doch dann sagt der Direktor über seinen Gesprächspartner aus dem Westen noch: "Leider war es mir nicht möglich zu erfahren, von wem er diese Information hat."

© SZ vom 30.05.2009/dmo/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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