Drohung gegen islamische Heiligtümer:Israel fürchtet Angriff auf den Tempelberg

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Die israelische Regierung erklärte, es gebe ernst zu nehmende Hinweise, dass eine Flugzeugattacke auf den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee bevorstehe. Es sei wahrscheinlicher denn je, dass jüdische Extremisten mit einem Terrorakt die Feindschaft zwischen Israelis und Palästinensern vertiefen und damit den israelische Rückzug aus dem Gaza-Streifen verhindern wollten.

Jerusalem (SZ) - Israels Minister für Innere Sicherheit, Zahi Hanegbi, sagte am Samstag im Fernsehen, das Risiko eines Angriffs "extremistischer oder fanatischer Juden" auf den Tempelberg sei "heute größer als jemals zuvor". Es handele sich dabei nicht um Hirngespinste, sondern um "konkrete Ideen". Auch der Inlandsgeheimdienst Schin Beit und die Polizei warnten vor einer solchen Attacke.

Die Zeitung Haaretz meldete am Sonntag unter Berufung auf Sicherheitskreise, es gebe Hinweise auf einen Plan, während eines Massengebets ein Flugzeug auf den Tempelberg stürzen zu lassen. Dabei könne eine ferngesteuerte, mit Sprengstoff beladene Drohne oder ein von einem Selbstmordattentäter gesteuertes Kleinflugzeug eingesetzt werden.

Hanegbi sagte, ein Anschlag könne das Ziel haben, den Plan von Premier Ariel Scharon zum Rückzug aus dem Gaza-Streifen zu verhindern, indem er eine "Kettenreaktion" auslöse. Laut Schin Beit soll die Region "ins Chaos" gestürzt werden. Für Muslime in aller Welt gilt der Tempelberg als drittheiligste Stätte nach Mekka und Medina.

Im September 2000 hatte sich am Besuch des damaligen Oppositionsführers Scharon auf dem Tempelberg der letzte Palästinenseraufstand, die Al-Aksa-Intifada, entzündet.

"Echter Heiliger Krieg droht"

Der ehemalige Polizeichef Jerusalems, Arieh Amit, sagte im Rundfunk, Minister Hanegbi wäre ohne "konkrete Informationen über die Planungen" eines solchen Anschlags nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Tatsächlich habe sich unter den rechtsgerichteten Juden viel "Frustration" über Scharons Rückzugspläne aufgestaut. "Für die kommt das einem Ende der Welt gleich", sagte Amit. Ein Anschlag auf dem Tempelberg sei für diese Gruppen ein "vorzügliches Werkzeug, diesen politischen Prozess zu stoppen". Dann drohe ein "echter Heiliger Krieg der Muslime gegen die Juden".

Der ehemalige Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad, Carmi Gilon, sagte, ein solcher Anschlag könne die Existenz Israels bedrohen. Der arabische Knesset-Abgeordnete Mohammed Dahamsche sagte der Zeitung Jediot Ahronot, ein Angriff auf eine heilige Stätte der Muslime werde ein Blutbad in Israel auslösen.

Der ultrarechte jüdische Aktivist Eljakim Haezni nannte einen Anschlag auf den Tempelberg am Sonntag eine "würdige Tat". Es sei "natürlich, dass die Leute angesichts der drohenden Katastrophe jeden Weg suchen, diese abzuwenden", sagte er dem Armeesender hinsichtlich der Räumung des Gaza-Streifens. Scharon will gegen den Widerstand von konservativen, ultrareligiösen und nationalistischen Gruppen alle 21 Siedlungen im Gaza-Streifen bis Ende 2005 auflösen.

Nach einem Wochenende mit neuer Gewalt unter den Palästinensern im Gaza-Streifen will das palästinensische Parlament in Gesprächen mit Präsident Jassir Arafat eine Lösung der Krise erzielen. Ein 14 Abgeordnete zählendes Komitee will Arafat am heutigen Montag auffordern, die Reformbeschlüsse des Parlaments rasch umzusetzen.

Die Proteste gegen Korruption in der Palästinenserführung waren am Samstag eskaliert. Mitglieder der Al-Aksa-Brigaden, des bewaffneten Arms der Fatah-Organisation Arafats, setzten eine Polizeiwache südlich von Gaza in Brand.

In Chan Junis besetzten etwa 250 Al-Aksa-Mitglieder die dortige Verwaltung. Das "Komitee nationalistischer und islamistischer Kräfte" aus Vertretern der Fatah und der islamistischen Hamas forderten, den "absurden Konflikt" zwischen radikalen Palästinensern und den Sicherheitskräften zu beenden. Weiterhin rief das Komitee zu freien Wahlen auf.

© SZ vom 26.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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