Dramolett: Politik und Leben:"Grüß Gott, was macht mein Bayern?"

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Ein Stück aus dem Leben: Politik begegnet Kunst. Was CSU-Chef Huber mit dem berühmten Sänger Quasthoff auf dem Berliner Flughafen passierte.

Gerda Zimmer

Berlin, Flughafen Tegel, Mittwoch, 13. August, 15.20 Uhr. Am Gate wartet der berühmte Sänger Thomas Quasthoff zusammen mit seinem Bruder in der vollen Abflughalle auf den Flug Air Berlin 6882 nach München. Der Künstler, ein Contergan-Opfer, sitzt ganz vorn in der ersten Reihe mit den Plätzen für Behinderte. Drei Sitze neben ihm sind frei.

Man sollte nie in der Öffentlichkeit Geschäftliches besprechen - gerade als Politiker. Sänger Thomas Quasthoff (links) kommentiert Erwin Hubers Telefonat. (Foto: Fotos: dpa)

Es tritt auf: Erwin Huber mit Leibwächter und Aktentaschenträger. Der CSU-Chef und bayerische Finanzminister will sich neben Quasthoff hinsetzen, merkt, dass es sich um Plätze für Behinderte handelt. Er bleibt mit seinen Begleitern vor Quasthoff stehen. Das Telefon klingelt.

Erwin Huber (ins Telefon):Grüß Gott, was macht mein schönes Bayern?"

Thomas Quasthoff (zu seinem Bruder): "Die CSU war früher auch schon mal besser. Sind die überhaupt noch oft in Berlin?"

Huber (laut ins Telefon): "Das weiß ich doch gar nicht! Warum weiß ich das nicht?"

Quasthoff (lacht): "Kann ich mir schon denken warum. Der größte Scheiss ist ja wohl die Pendlerpauschale und die Gesundheitsreform. Wie ist das denn jetzt mit der CSU? Besser oder schlechter als in den 60ern?"

Huber (lauter ins Telefon): "Also die Strategie ist die folgende: Sie müssen versuchen, den umzubiegen. Entweder er kommt, dann muss er auch dafür sein, oder er braucht gar nicht zu kommen. Das ist jetzt wichtig für die Koalition."

Quasthoff (lachend zum Bruder): "Findest du nicht auch, der Koch und der Söder, die sind bäh. Den Koch haben sie ja noch nicht entsorgt, aber den Söder haben sie in die EU verfrachtet."

Huber (lauter ins Telefon): "Den Blödsinn von dem Pofalla kommentiere ich gar nicht mehr. Das muss beim Bürger ankommen."

Quasthoff: "Da kommt nix an. Was soll denn da ankommen?"

Huber hört auf zu telefonieren. Er setzt sich mit seinen Begleitern hin. Schweigen. Quasthoff nuschelt zu seinem Bruder. Dann ist es mit dem "Preboarding" soweit.

Quasthoff: "Jetzt preboarden wir. Behinderte und Politiker zuerst, so wie es sich gehört."

Huber schweigt. Alle gehen ins Flugzeug.

Epilog.

Das Preboarding ist beendet. Im Flugzeug haben Huber und Quasthoff ihre Plätze eingenommen.

Quasthoff: "Ein Künstler muss auch Kommunist sein." Huber schweigt.

P.S.: Ein CSU-Sprecher kommentiert später, es sei "ganz normal, dass man Wartezeiten am Flughafen für ein Telefonat nutzt." Und: "Im Übrigen nehmen wir zu Telefonaten, die für Umstehende nur bruchstückhaft verständlich und aus dem Zusammenhang gerissen sind, grundsätzlich nicht Stellung." Thomas Quasthoff wollte mit Hinweis auf wichtige Proben nicht näher Stellung nehmen.

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