Die Kurzfassung:Was Wisniewski zum Fall Buback sagt

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Vor zehn Jahren spricht der mutmaßliche Todes-Schütze mit der taz über die Gründe der RAF, Generalbundesanwalt Buback zu töten. Ein Auzug aus der Dokumentation.

Erklär doch mal eure Dramaturgie für 1977 - vor der Schleyer-Entführung gab es das Attentat auf Buback und den Mord an Ponto.

Stefan Wisniewski: Buback war der oberste "Terroristenjäger" und für die Haltung gegenüber den Gefangenen verantwortlich. Für uns war er auch verantwortlich für den Tod Siegfried Hausners, den er aus Stockholm abtransportieren ließ, obwohl Hausner lebensgefährlich verletzt war. Und wir sahen in ihm den Verantwortlichen für den toten Trakt und die Haftbedingungen von Ulrike Meinhof. Dem wollten wir Grenzen setzen.

Kam dazu, daß ihr, so hat es jedenfalls Peter Jürgen Boock erzählt, von den Stammheimern massiv unter Druck gesetzt wurdet?

Ich habe keine Lust, die jeweils neueste Variante von Boock zu kommentieren. Auf ihn trifft zu, was Régis Debray in seinem Buch "Kritik der Waffen" über die Guerillabewegung in Lateinamerika sagte: "Die größten Militaristen werden die besten Renegaten." Während Boock wie ein Tanzbär durch die Talkshows tapst, haben andere, wie Brigitte Mohnhaupt, die in einem bayrischen Knast weggebunkert ist, keinerlei Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

Du hast ja jetzt die Möglichkeit. Seid ihr damals unter Druck gesetzt worden?

Das kann tatsächlich erst vollständig aufgearbeitet werden, wenn alle Gefangenen etwas dazu sagen können. Gerade Boock bezieht sich immer auf eine angebliche oder tatsächliche Korrespondenz mit den Stammheimern, die außer ihm nur Brigitte Mohnhaupt kennen soll.

Was soll ich also dazu sagen? Sicher, die Gefangenen wollten unbedingt raus, und dieses Gefühl, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, kennt schließlich jeder Gefangene. Die Frage ist nur, welcher Einsatz dafür moralisch und politisch vertretbar ist.

Erst einmal haben die Verhältnisse Druck gemacht. Dazu kommt, es gab in der Zeit die Theorie vom neuen Faschismus, der aus den Institutionen kommt und keine Massenbasis braucht. Beides hat so nicht gestimmt.

Diese schräge Theorie wurde nicht nur von der RAF vor- und nachgebetet, sie führte auch dazu, daß wir uns auf einen militaristischen Schlagabtausch mit dem Staat beschränkten. Gleichzeitig haben wir beispielsweise die Produktion rassistischer Mentalitäten unterschätzt, die zwischen Oben und Unten funktionieren und so neu nicht sind.

1977 war auch das Jahr, in dem sich viele SS- Traditionsverbände, von einigen Protesten der VVN abgesehen, ungestört treffen konnten. Warum haben wir die nicht attakiert? Statt dessen wurden in einigen Fällen leichtfertige Assoziationen zwischen Isolations- und Vernichtungshaft und Auschwitz hergestellt, die nicht nur zu grotesken Fehleinschätzungen und "Handlungszwängen" führten, sondern die auch gegenüber den Opfern der Vernichtungslager schäbig waren.

Dabei waren die Bedingungen in den Isolationstrakten schlimm genug. Um dagegen zu handeln wäre kein zusätzlicher "Druck" notwendig gewesen. Wir waren ja auch keine Gruppe, die nur darauf gewartet hat, was die Stammheimer sagen. Mit solchen Erklärungen versuchen einige, sich aus der Verantwortung zu schleichen.

Das heißt nicht, daß nicht auch an den Stammheimern vieles hätte kritisiert werden müssen. Ich hab' mich oft gefragt, was passiert wär', wenn wir sie tatsächlich rausgeholt hätten. Ob ich mich mit ihnen verstanden hätte. Damals ging ich automatisch davon aus.

Heute bin ich da eher skeptisch. Aber wenn sie draußen gewesen wären, hätten wir sie wenigstens kritisieren können. Der Schmerz, daß das nicht ging, der bleibt bis heute hängen. Damals dachten wir, wenn wir die Gefangenen befreit haben, dann können wir wieder auf die ursprünglichen Ziele der RAF zurückkommen - die Ziele, die schon während der 68er Revolte entstanden.

Du hast vorhin angesetzt, die Dynamik jener Zeit, 76/77, zu beschreiben. Da warst du bei Bundesanwalt Siegfried Buback. Der Anschlag auf ihn sollte die anderen Gefangenen schützen. Habt ihr erreicht, was ihr wolltet?

Nein, sonst hätten wir uns die weitere Eskalation ja ersparen können. Nach dem Tod von Holger Meins und dem Anschlag auf den obersten Berliner Richter, Günther Drenckmann, gab es im Spiegel ein Interview mit den Stammheimern, in dem sie deutlich gesagt haben: Wenn es Beerdigungen gibt, wenn Schmerz, Leid und Trauer, dann auf beiden Seiten.

Hättet ihr euch dieser Konfrontation nicht entziehen können?

Das hätte damals bedeutet, daß wir die Gefangenen aufgeben, daß wir sagen müssen: Eine Befreiungsaktion geht einfach nicht, andere Initiativen sind jetzt dringender.

Heute würde ich eher sagen, wir hätten damals mehr Geduld einfordern müssen. Obwohl, es ist ja heute noch schwer, mitansehen zu müssen, wie der Staat auch gegenüber kranken Gefangenen wie Helmut Pohl oder Adelheid Schulz hart bleibt.

(taz, die tageszeitung vom 11.10.1997. Das Interview führten Petra Groll und Jürgen Gottschlich. Mit freundlicher Genehmigung der taz.)

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