Die Kommission und die Verfassung:Dunkler Schatten bis nach Rom

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In einer feierlichen Zeremonie wollen die 25 Staats- und Regierungschefs in Rom den Verfassungsvertrag unterzeichnen. Es sollte ein Aufbruch zu neuen Ufern werden. Nun könnte ausgerechnet der Streit um einen anderen Italiener den feierlichen Schöpfungsakt in einen Krisengipfel verwandeln.

Von Cornelia Bolesch

Silvio Berlusconi lässt sich kein Medienspektakel entgehen. Früh hatte Italiens Premierminister darauf gedrungen, die feierliche Unterzeichnung der EU-Verfassung in der historischen Kulisse des römischen Kapitol zu inszenieren.

Und so werden sich an diesem Freitag die Staats-und Regierungschefs aus 25 Staaten mitsamt ihren Außenministern an jenem Ort versammeln, an dem 1957 die Gründungsverträge der europäischen Gemeinschaft besiegelt worden waren. 47 Jahre danach will die EU mit dem Verfassungsvertrag zu neuen Ufern aufbrechen.

Doch ausgerechnet der Streit um einen anderen Italiener - Berlusconis eigenwilligen Minister Rocco Buttiglione - könnte den feierlichen Schöpfungsakt in der italienischen Hauptstadt in einen Krisengipfel verwandeln.

Lehnt das Europaparlament in Straßburg an diesem Mittwoch das Team des neuen Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso ab, so wird auch auf die Zeremonie in Rom zwei Tage später ein dunkler Schatten fallen. Denn eine Krise zwischen den EU-Institutionen könnte auch das weitere Schicksal der EU-Verfassung beeinflussen: Dieses ehrgeizige Vertragswerk ist nach der Unterzeichnung durch die Regierungen in Rom ja noch längst nicht in trockenen Tüchern.

In allen 25 Staaten muss die Verfassung noch ratifiziert werden. Neun der 25 EU-Staaten wollen ihre Bürger direkt befragen, darunter auch Frankreich. Ein "Nein" etwa in diesem großen EU-Gründerstaat würde zur "absoluten Lähmung" der Europäischen Union führen, prophezeite bereits Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker. "Der europäische Traum wäre ausgeträumt".

Unpopulär beim Bürger

Keiner vermag vorherzusagen, ob die Krise um die Barroso-Kommission dem Verfassungsprojekt eher nützen oder schaden wird. Europa wird durch so einen Konflikt "attraktiver", sagen die einen. Die anderen befürchten, dass die Bürger von rein politischen Machtspielen eher abgeschreckt werden - und sich erst recht von diesem anspruchsvollen Vertragswerk abwenden. Fest steht, dass es die Verfassung auch ohne den aktuellen Konflikt zwischen Parlament und Kommission schwer genug hat, bei den Bürgern anzukommen.

Dabei würde sie die Politik in Europa demokratischer und transparenter machen. Nicht nur das Europaparlament, auch jeder einzelne Bürger bekäme mehr Einfluss auf die Gesetzgebung. So sieht die Verfassung erstmals grenzüberschreitende Volksabstimmungen vor, mit der EU-Initiativen auf den Weg gebracht werden können. Die Verfassung erleichtert auch das Regieren in Europa, weil sie die Vetorechte einzelner Staaten weiter beschränkt. Und: Die Verfassung ist das richtige Rezept gegen einen EU-Superstaat, weil sie die nationalen Parlamente zu "Wachhunden" macht, damit Brüssel nicht zu viel Macht bekommt.

Am 1. November 2006 soll die Verfassung endgültig in Kraft treten. So haben es die Regierungen vorgesehen. Doch eine wichtige Frage haben sie nicht beantwortet: Was geschieht, wenn unter 25 Staaten auch nur ein einziger das Vertragswerk ablehnt? Nach geltendem Recht kann die Verfassung erst dann in Kraft treten, wenn alle Vertragsparteien ihr zugestimmt haben.

Doch immer mehr Politiker beginnen an diesem Grundsatz zu rütteln. So erklärte der italienische Wettbewerbskommissar Mario Monti kürzlich, ein Staat, in dem die Verfassung abgelehnt würde, müsse ernsthaft erwägen, ganz aus der EU auszutreten. Alle Regierungschefs sollten dies bereits vor den Abstimmungen ihrer Bevölkerung klar machen.

Es sind Italiener, die sich in diesen Wochen besonders heftig für die Verfassung einsetzen, als wollten sie damit überspielen, dass ein Italiener der Auslöser der EU-Krise ist. Italiens Außenminister Franco Frattini etwa hat angekündigt, dass sein Land das erste sein werde, in dem das europäische Grundgesetz ratifiziert wird - "als Weihnachtsgeschenk" noch in diesem Jahr.

© SZ vom 27.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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