Die Erfolge von Cap Anamur:Rettungsboot mit Kontonummer

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Statt die Menschen aus ihrer misslichen Lage zu befreien, diskutierten die Behörden tagelang wo genau das Schiff "Cap Anamur" die 37 afrikanischen Flüchtlinge aus dem Meer gefischt hatte. Genau gegen solche bürokratischen Missstände kämpft die Kölner Hilfsorganisation seit 25 Jahren an.

Von Nina Berendonk

Die Stimmung auf der Cap Anamur muss zuletzt furchtbar gewesen sein: Die Flüchtlinge hatten eine wochenlange Odyssee hinter sich, waren - wie sie sagen - aus dem Sudan und Sierra Leone geflüchtet, in einem Boot auf dem Meer getrieben, nun wollten sie nur noch ans Ufer und in Sicherheit.

Doch anstatt die Menschen aus ihrer misslichen Lage zu befreien, diskutierten die Behörden erst einmal tagelang: Wo genau hatte die Cap Anamur die Flüchtlinge aus dem Meer gefischt? Ein Stück näher an Italien oder doch näher an der maltesischen Küste, war also Malta zuständig oder Rom? Waren die Afrikaner nach mehr als elf Tagen an Bord des Frachters noch Schiffbrüchige, die man aufnehmen musste?

Mit 50 Mann gegen die Not der Welt

Bürokratisches Gezerre anstelle von unkomplizierter und vor allem schneller humanitärer Hilfe - es sind genau diese Zustände, gegen welche die Kölner Hilfsorganisation Cap Anamur seit 25 Jahren ankämpft. Die rund 50 Ärzte, Pfleger, Baufachleute, Logistiker und Seeleute, die sich in der Regel für sechs Monate bei der Organisation verpflichten, sind stets da, wo Menschen in Not geraten sind, dort, wo staatliche Hilfe aus politischen Gründen nicht greifen kann, oder wo der Einsatz überaus gefährlich ist.

Sie errichten Krankenhäuser in Afghanistan, versorgen Hungernde in Nordkorea, suchen Minen in Angola und bauen Häuser für Kosovo-Flüchtlinge - und das alles für einen Einheitslohn von 1100 Euro im Monat. Die Losung der Organisation: "Distanz zum Staat, strikte Unabhängigkeit und eine große Nähe zu den Bedürftigen."

Das bedeutet auch Distanz zu den großen Hilfsorganisationen, zu denen der Verein bisweilen eine Art Konkurrenzverhältnis unterhält: "Die großen Organisationen sind zu träge", wetterte Cap- Anamur-Gründer Rupert Neudeck, vor fünf Jahren gegen das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge. "Bevor die kommen, richten sie erst einmal Quartiere für ihre Mitarbeiter ein."

Der Streitbare mit dem Revoluzzerbart

Der streitbare Journalist mit dem weißen Revoluzzerbart war jahrelang das Gesicht hinter Cap Anamur - für seinen Einsatz bewundert, für seine PR-Kampagnen kritisiert. Das Elend der vietnamesischen Boat-People, die Ende der siebziger Jahre über das südchinesische Meer flohen und dabei zu Hunderten ertranken, habe ihn so bewegt, sagte er, dass er 1979 zusammen mit seiner Frau Christel beschloss zu helfen.

Mit einem gecharterten Frachter (der ersten Cap Anamur) rettete das Ehepaar zwischen 1979 und 1982 mehr als 10000 Menschen aus Seenot. Den Deutschen gefiel diese unbürokratische Hilfsbereitschaft - sie unterstützten Neudecks "Schiff für Vietnam" mit Millionen von Mark. Das Geld verwaltetete das Ehepaar im Wohnzimmer seines Reihenhauses.

Ende 2002 übergab Neudeck dann Cap Anamur an den Journalisten und früheren Balkan-Korrespondenten Elias Bierdel. Dieser kündigt jetzt weitere Rettungsaktionen an. "Wir hoffen, dass wir nach dem Muster, das wir hier einmal konfrontativ durchstehen mussten, weiter verfahren dürfen." Nur Cap Anamur wolle sich kümmern und müsse "dies weiter dürfen".

© SZ vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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