Die Bundeskanzlerin in Polen:"Europa darf sich niemals spalten lassen"

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Die Bundeskanzlerin hat in Polen vor einer Spaltung Europas gewarnt und Warschau zu mehr Einigkeit bei der EU-Verfassung und in der Sicherheitspolitik aufgerufen.

Merkel spielte in ihrer Rede an der Universität Warschau damit auf Polens Rolle beim umstrittenen US-Raketenabwehrsystem in Osteuropa an. "Geteilte Sicherheit wäre mangelnde Sicherheit", mahnte Merkel.

Mit Blick auf Polens Widerstand gegen eine engere energiepolitische Zusammenarbeit mit Russland und den Alleingang Warschaus beim US-Raketenschild sagte Merkel: ,,Europa darf sich niemals spalten lassen.''

Anders könnten Versorgung und Sicherheit des Kontinents nicht gewährleistet werden. Dies gelte ganz besonders im Verhältnis "zu unserem Verbündeten USA und unserem großen Nachbarn Russland": "Nur wenn Europa zusammensteht, wird es auch von seinen Partnern in der Welt wirklich ernst genommen", sagte sie am Freitag zu Beginn ihres zweitägigen Polen-Besuches.

Polen verhandelt mit den USA derzeit über die Stationierung von Abfangraketen als Teil des US-Raketenabwehrsystems. Merkel will jedoch, dass die Nato in die Pläne einbezogen wird.

Die Kanzlerin betonte, Europa müsse aber nicht nur zusammenstehen, sondern auch handlungsfähig sein, um seine Interessen zu wahren. Dafür sei die neue Verfassung nötig und dafür habe sie die Initiative ergriffen, den Vertrag voranzubringen: ,,Die Phase des Nachdenkens ist vorbei. Es kommt die Phase der Entscheidungen."

Merkel bekräftigte ihre Absicht, bis zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Juni einen Fahrplan für das weitere Vorgehen zu präsentieren. Polen wehrt sich gegen die EU-Verfassung, weil es sich von den geplanten Abstimmungsmodalitäten übervorteilt sieht. Ohne eine Einigung zwischen Deutschland und Polen gilt ein Fortschritt in der Frage als äußerst fraglich.

Gute Beziehungen

Das deutsch-polnische Verhältnis hat sich seit den Amtsantritten der konservativen Kaczynski-Brüder als Präsident und Regierungschef verschlechtert. Merkel würdigte deshalb in persönlichen Worten die Rolle Polens bei der Überwindung der deutschen Teilung und des Eisernen Vorhangs in Europa.

"Ohne Ihre Freiheitsbewegung, ohne die Solidarnosc wäre auch mein persönlicher Lebensweg anders gelaufen, könnte ich heute nicht als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland vor Ihnen stehen."

Merkel sprach trotz der Streitpunkte zwischen Polen und Deutschland von einem unzerstörbaren Netz guter Beziehungen. "Dieses Netz auch in Zukunft immer enger zu knüpfen - darauf sollten wir unsere ganze Energie richten."

Im deutsch-polnischen Dauerstreit über den Umgang mit den Vertriebenen stellte sich Merkel erneut hinter die Forderung deutscher Vertriebenen-Verbände nach einem Gedenken an die Opfer von Vertreibungen.

"Keinerlei Unterstützung"

Sie bemühte aber zugleich, die Sorgen Polens vor einer Relativierung der Nazi-Verbrechen auszuräumen. Es könne und werde keine Umdeutung der Geschichte durch Deutschland geben.

Abermals distanzierte Merkel sich von Klagen der privaten Organisation "Preußische Treuhand" auf Entschädigungen für die Vertreibung. "Die Klagen der sogenannten Preußischen Treuhand haben keinerlei Unterstützung meiner Bundesregierung. Sie werden sie auch nie bekommen", sagte Merkel.

Der polnische Präsident Lech Kaczynski und seine Frau Maria haben die Kanzlerin und ihren Mann im Anschluss an die Gespräche in Warschau zu einem privaten Aufenthalt in die Sommerresidenz des Staatschefs im Ostseebad Jurata auf der Halbinsel Hela eingeladen, wo sie bis Samstag bleiben wollen.

Regierungschef Jaroslaw Kaczynski, Zwillingsbruder des Präsidenten, sagte nach der Begegnung mit Merkel in Warschau: "Ich habe die Hoffnung, dass wir zusammen nach vorne gehen können und dass wir viele Dinge zusammen bewerkstelligen können."

© SZ vom 17.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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