Deutschland - USA:Mehr als ein Händedruck

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Zum ersten Mal seit dem Mai 2002 werden US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch gegen neun Uhr New Yorker Ortszeit wieder mehr austauschen als nur einen Händedruck und ein paar Floskeln: Sie wollen ihren Zwist endgültig beilegen.

Auch im Kanzleramt weiß man, was die Menschen in Deutschland an Gerhard Schröders Kurzbesuch bei den Vereinten Nationen in New York am meisten interessieren wird: Des Bundeskanzlers Treffen mit dem US-Präsidenten George W. Bush.

Zum ersten Mal seit dem Mai 2002 werden Bush und Schröder am Mittwoch gegen neun Uhr New Yorker Ortszeit wieder mehr austauschen als nur einen Händedruck und ein paar Floskeln.

Ein Signal wolle man aussenden, sagte ein hochrangiger Kanzler-Mitarbeiter vor dem Abflug am Montag, dass "der deutsch-amerikanische Motor wieder brummt". Gerade weil allseits über diverse europäische Achsen geredet wird, wollte der Schröder-Mann eines klarstellen: "Deutschland sieht sich gewiss nicht als Gegenpol zu den Vereinigten Staaten." Dennoch: "Es muss sehr viel an fence mending geleistet werden."

Fence mending heißt Reparatur des Zaunes. Im Wilden Westen, denn daher stammt der Ausdruck, waren die Zäune entscheidend für den Wohlstand des Ranchers. Gab es irgendwo Lücken, verschwand das Vieh entweder in die Weiten der Prärie oder auf das Gebiet des - man kennt das ja aus vielen Westernfilmen - meist missgünstigen Nachbarn.

Schröders Cowboys haben etliches an Zaun zerstört

Hin und wieder schnitt der böse Nachbar den Zaun auch kaputt, um sich Vorteile oder zumindest dem Konkurrenten Nachteile zu verschaffen. Um im Bild zu bleiben: Schröders Cowboys haben im Wahlkampf 2002 etliches an Zaun zerstört; Bushs Jungens taten dies nicht minder fleißig. Jetzt also wollen sich Großrancher Bush und Nebenerwerbsviehzüchter Schröder über den wieder reparierten Zaun lächelnd die Hand reichen.

Inhaltlich wird der halbstündige Blitz-Gipfel zwischen Schröder und Bush wohl wenig Neues bringen. Bush wird Schröder für das deutsche Engagement in Afghanistan und bei der Terrorbekämpfung danken. Sinngemäß wird er sagen, dass trotz mancher Meinungsunterschiede Washington und Berlin stets enge Verbündete sein würden.

Nun müsse man, so ist das jedenfalls zu erwarten, auch gemeinsam an einer Stabilisierung der Lage im Irak arbeiten. Schröder wird dem allem zustimmen, ebenfalls auf das deutsche Engagement hinweisen und außerdem auch den Balkan nicht vergessen.

Dass man über den Inhalt der debattierten UN-Resolution zur Zukunft des Irak verschiedene Ansichten hat, wird möglicherweise eine Rolle spielen. Allerdings wird das vermutlich in etwas vorsichtigerer Wortwahl erfolgen, als dies Regierungskreise in Berlin beschrieben. Die Franzosen, so hieß es da, beklagten das "militärisch-repressiv orientierte Herangehen von Teilen der Kriegskoalition".

"Annäherung an eine gemeinsame Vision für den Irak"

Berlin sehe das ähnlich. Im Übrigen, so verlautete es aus dem Kanzleramt, gehe es bei dem Gespräch nicht darum, was Berlin mitbringe und Washington fordere, sondern vielmehr auch um die "Annäherung an eine gemeinsame Vision für den Irak".

Schröders offizieller Anlass für den Besuch der Generalversammlung der UN ist der dreißigste Jahrestag des UN-Beitritts von Bundesrepublik und DDR. 1973 hatte Willy Brandt als erster Bundeskanzler vor der Generalversammlung gesprochen; dreißig Jahre später wird Schröder der zweite deutsche Kanzler sein, der dies tut.

Am Mittwochmittag will Schröder im UN-Sitzungssaal ein Lob des Multilateralismus und der UN singen. Er wird auf die grundsätzlich veränderte Rolle des vereinigten Deutschlands in der Weltpolitik hinweisen und dabei auch die Bereitschaft zu mehr Verantwortungsübernahme erwähnen.

Letzteres bedeutet im UN-Jargon seit Jahren auch die Forderung nach einer Reform des Sicherheitsrates. Der spiegelt mit seinen fünf ständigen Veto-Mitgliedern, darunter immer noch die alten Sieger- und Kolonialmächte England und Frankreich, die Strukturen der fünfziger Jahre wider.

Reform seiner UN-Entscheidungsmechanismen

In Schröders Kanzleramt und Fischers Außenministerium strebt man eine Erweiterung des Rates und eine Reform seiner Entscheidungsmechanismen, vor allem der Rolle des Vetos, an. Ähnliches wünschten auch schon Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel. Abgesehen von aktuellen Krisen wie der um den Irak haben zwei Dinge diese Reform seit langem blockiert.

Einerseits konnten sich die Staaten Lateinamerikas, Afrikas und Asiens bisher nicht darauf einigen, welches Land ihre Großregion mit einem ständigen Sitz im Rat vertreten soll. Andererseits bremsen London und Paris, weil sie bei einer Reform um ihre privilegierte, aber anachronistische Rolle fürchten.

Die Deutschen sind, wie so oft, das Weltkind in der Mitten: Auch als drittgrößter UN-Beitragszahler hätten sie gern einen ständigen Sitz, der aber nur kommen könnte, wenn die anderen sich einigen. Das wird so schnell nicht geschehen.

© Von Kurt Kister - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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