Deutschland und Macron:Grenzen der Begeisterung

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Macron als Europas Visionär, Merkel als Bremserin? In der Debatte um gemeinsame Rüstungsexporte wandelt sich das Bild. Die Militärpolitik des Franzosen ist den Deutschen fremd.

Von Nico Fried

Die deutsch-französische Debatte um Rüstungsexporte im Speziellen und das Militärische im Allgemeinen hat für Angela Merkel viele schwierige Seiten. Sie muss sich mit ihrem Koalitionspartner verständigen, der - anders als Frankreichs Präsident - keine Lust mehr auf Waffenlieferungen in Schurkenstaaten verspürt und schon gar nicht zu weiteren Auslandseinsätzen neigt. Die Kanzlerin muss sich zudem französischer (und britischer) Vorwürfe außenpolitischer Unzuverlässigkeit erwehren. Ein Gutes aber hat die Debatte für Merkel: Diesmal muss sie sich wenigstens nicht anhören, sie komme Emmanuel Macron nicht schnell genug entgegen.

Das Bild der deutsch-französischen Beziehungen wird seit Macrons Amtsantritt geprägt vom Vorwurf der Dysfunktionalität. Der europäische Karren fährt in diesem Bild nicht mit Volldampf in die Zukunft, sondern rumpelt ziellos durch die Gegend, weil ein französisches Schwungrad auf der einen Seite nur von einem klapprigen deutschen Stützrad auf der anderen Seite ergänzt wird. Dass Macron ein mitreißender Redner ist und Merkel sich meist als ermüdende Referentin präsentierte, hat diesen überzeichneten Eindruck noch verstärkt. Der Verdruss am rhetorischen Phlegma der Kanzlerin führte dazu, dass man sich von Macron nur allzu gerne schwindlig reden ließ.

Es ist daher ein hübscher Zufall, dass Merkel jüngst in München ihren überzeugendsten außenpolitischen Auftritt seit Langem in Abwesenheit des Präsidenten hinlegte. Versteckt in der Frage-Antwort-Runde hat sie dort auch ihre zurückhaltende Reaktion auf Macrons europapolitische Visionen plausibel mit der Notwendigkeit verteidigt, die anderen Partner nicht zu übergehen. Vor allem dann, wenn es ums Geld geht. Ein Europa der (noch) 28 ist eben kein Europa mehr wie früher, als der deutsch-französische Konsens fast gleichzusetzen war mit einer europäischen Verständigung. Seit Macron nicht zuletzt durch eine gewisse präsidiale Überheblichkeit in Frankreich an Popularität verloren hat, ist man zudem auch hierzulande eher bereit, die Begeisterung für seine Leidenschaft abzumildern zugunsten einer Prüfung der Realitäts- und Kompromisstauglichkeit seiner Ideen.

Auch bisherige Macron-Freunde treten nun auf die Bremse

In der Debatte um die militärische Zukunft Europas kommt dies besonders zum Tragen. Nun sind es auch bisherige Macron-Freunde, die auf die Bremse treten. Am Beispiel der Rüstungsexporte ist ja leicht abzulesen, worum es neben wirtschaftlichen Interessen geht: Waffen sind für Frankreich ein politisches Instrument - sei es durch den Abschuss von Raketen nach einem Giftgasangriff in Syrien, sei es durch den Verkauf von Flugzeugen an autoritäre Staaten, in denen man Einfluss erhalten will. Solches Denken ist den Deutschen eher fremd, enthebt sie aber nicht der Aufgabe, sich mit den Franzosen zu verständigen.

Die Idee einer europäischen Armee wiederum findet quer durch die Parteien Zuspruch. Dabei dominiert jedoch die Erwartung, etwas einzusparen, und nicht die Vorstellung, etwas einzusetzen. Die EU-Armee wirkt in Deutschland in erster Linie wie ein willkommenes Symbol für mehr Unabhängigkeit vom Trump-Amerika. Damit aber, dass sie tatsächlich auch mal Krieg führen müsste, will man sich lieber nicht beschäftigen. Die überfällige Debatte um den Parlamentsvorbehalt bei Militäreinsätzen hätte sonst schon längst begonnen.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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