Deutschland und die Türkei:"Erdoğans Nazi-Vergleich ist deplatziert"

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Kanzlerin Merkel antwortet dem Staatspräsidenten: Solche Äußerungen könne man ernsthaft gar nicht kommentieren. Sie ist aber gegen Auftrittsverbote für türkische Politiker in Deutschland.

Von Nico Fried, Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einen NS-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurückgewiesen. "Solche deplatzierten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich gar nicht kommentieren", sagte Merkel am Montag in Berlin. Auch mit dem Wahlkampf für ein Referendum seien sie nicht zu rechtfertigen. Erdoğan hatte Deutschland Nazi-Methoden vorgeworfen, nachdem Wahlkampfauftritte türkischer Minister untersagt worden waren. Solche Äußerungen disqualifizierten sich von selbst, sagte Merkel, da sie auch das Leid der nationalsozialistischen Verbrechen verharmlosten. Das mache sie traurig.

Merkel sprach von "tief greifenden Meinungsverschiedenheiten" mit der türkischen Regierung, etwa bei der Rede- und Pressefreiheit, die in Gesprächen mit der türkischen Regierung "in aller Klarheit auf den Tisch" kämen. Merkel verwies auf mehr als 100 verhaftete Journalisten in der Türkei. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte in diesem Zusammenhang zuvor bereits eine faire und rechtsstaatliche Behandlung "für unseren Landsmann" Deniz Yücel gefordert. Die gegen den Welt-Korrespondenten verhängte Untersuchungshaft sei "unangemessen und unverhältnismäßig", sagte Seibert.

Wie die Welt berichtet, haben Yücels Anwälte am Montag Widerspruch gegen die Haft eingelegt. Über die Konsequenzen aus Erdoğans Äußerungen gibt es in Merkels Partei jedoch Unstimmigkeiten. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner lehnte einen möglichen Auftritt des türkischen Präsidenten in Deutschland ab, sollte dieser seine Äußerung nicht zurücknehmen. "Wenn Herr Erdoğan weiter beim Nazi-Vergleich bleibt, dann muss man ihm deutlich machen, dass er hier nicht erwünscht ist", sagte Klöckner. Sie zeigte sich auch skeptisch gegenüber Auftritten türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland.

Vier Finger zum Gruß: Gesäumt von Soldaten in historischen Uniformen, hebt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei einer Veranstaltung in Istanbul die Hand zur markanten Geste. Sie gilt als Symbol der Protestbewegung in Ägypten und als Zeichen der Solidarität mit den Muslimbrüdern. (Foto: Murat Cetin Muhurdar/AFP)

Dagegen sagte Merkel, Auftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland blieben "innerhalb des Rechts und der Gesetze, die bei uns gelten, möglich, soweit sie ordnungsgemäß, rechtzeitig und mit offenem Visier angekündigt und genehmigt sind". Sie werde sich weiter dafür einsetzen, "dass wir unsere Grundwerte so leben und so leben können, wie wir dies für richtig halten. Sie machen unser Land und unsere Art zu leben aus". Auch der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet und EU-Kommissar Günther Oettinger warnten vor Auftrittsverboten für türkische Regierungsmitglieder.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verzichtete bislang auf eine Reaktion zu Erdoğans NS-Vergleich. Ein Sprecher sagte, Schulz schließe sich Außenminister Gabriel (SPD) an. Dieser hatte am Sonntag mit seinem türkischen Kollegen Çavuşoğlu telefoniert. Die Minister wollten "den Gesprächsfaden nicht abreißen" lassen, die Debatte solle "wieder in ruhigeres Fahrwasser" kommen. Eigentlich wollte Çavuşoğlu an diesem Dienstag in Hamburg sprechen. Der Wahlkampfauftritt wurde jedoch abgesagt - die Halle sei wegen einer fehlenden Brandmeldeanlage gesperrt worden. Als Ersatzort war am späten Montagabend eine Tanzschule im Ort Norderstedt bei Hamburg im Gespräch.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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