Tausende DDR-Flüchtlinge im Botschaftsgarten, eine legendäre Ministerrede, Jubel um den "Zug der Freiheit": Im Herbst 1989 spielten sich in Prag dramatische Szenen ab. In entscheidender Rolle dabei: Hans-Dietrich Genscher, damals Bundesaußenminister. 25 Jahre nach den Ereignissen steht der FDP-Politiker 2014 auf dem berühmten Balkon, von dem aus er den Flüchtlingen die bevorstehende Ausreise in den Westen verkündete.
Im Sommer 1989 versuchten immer mehr DDR-Bürger über die damals sozialistischen Nachbarländer in den Westen zu flüchten. In Prag suchten bis Ende September etwa 5000 Ostdeutsche Zuflucht in der bundesdeutschen Botschaft. Auf diesem Foto sind Mutter und Tochter zu sehen, die sich durch den Zaun zum Garten der deutschen Botschaft küssen.
Blick auf das Palais Lobkowicz von der Gartenseite, in dem sich die deutsche Vertretung befindet. In den Grünanlagen lagerten 1989 Tausende Hilfesuchende.
Seit 1974 beherbergt die Anlage unterhalb der Prager Burg die bundesdeutsche Botschaft. Enge Kopfsteinpflaster-Gassen führen zu dem Gebäude, das im Sommer und Herbst 1989 zum Ziel von Tausenden von DDR-Flüchtlingen wurde. Rechts, im Hintergrund, ist die Prager Burg zu sehen.
Blick in die Repräsentationsräume der Deutschen Botschaft. Das Palais Lobkowicz in Prag zählt zu den imposantesten Barockpalästen der tschechischen Hauptstadt. Doch der wichtigste Ort der jüngeren Geschichte ist der Garten.
Bereits Mitte August 1989 lebten mehr als 120 Flüchtlinge auf dem Gelände der Vertretung, täglich kamen Dutzende dazu. Nach Schließung der Botschaft und trotz Behinderung durch tschechische Polizisten überwanden immer wieder DDR-Bürger den Zaun zur bundesdeutschen Botschaft.
Das Archivbild vom 29.September 1989 zeigt einen Teil des Zeltlagers auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Prag. Teilweise hielten sich die Menschen wochenlang auf dem Gelände auf und warteten auf eine Einreisemöglichkeit in die Bundesrepublik.
Die Lösung des Flüchtlingsdramas kam am 30. September zustande. Mit der DDR-Führung erreichte die Bundesregierung eine Vereinbarung, die die Ausreise der Menschen auf dem Botschaftsgelände vorsah. Die frohe Kunde übermittelten der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (re.) mit Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) persönlich.
Vom Balkon der Botschaft sprach Genscher zu den Flüchtlingen: "Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ..." Darauf wurde er von Jubel unterbrochen. Diese Aufnahme zeigt Genscher (li.) und Seiters 25 Jahre später auf dem Balkon.
Die mit der DDR-Führung ausgehandelte Lösung sah eine umständliche Variante der Ausreise vor. So fuhren die Flüchtlinge mit Sonderzügen der DDR-eigenen Deutschen Reichsbahn aus Prag über Sachsen nach Bayern. Diese Aufnahme zeigt Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in der Bundesrepublik.
Auf dem Weg durch die DDR passierten die Züge unter anderem Dresden - und lösten zusätzlich erhebliche Unruhe in Ostdeutschland aus. Im Bild: Ankömmlinge aus der Prager Botschaft werden am 5. Oktober auf dem Bahnhof im nordbayerischen Hof mit Suppe versorgt.
Für Ex-Außenminister Genscher war der Auftritt in Prag eine der bewegendsten Stationen seiner langen Politiker-Karriere. 25 Jahre später gab er im Garten der Botschaft Autogramme und schüttelte Hände von Menschen, die damals Flüchtlinge waren. "Diese Flüchtlinge, die damals hier in Prag waren, haben ihr eigenes Schicksal in die Hand genommen, aber in Wahrheit haben sie Geschichte geschrieben", sagte Genscher.