Deutscher Nahost-Einsatz:"Zeit nicht ansatzweise reif"

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Nicht nur wegen der Vergangenheit Deutschlands reagieren Politiker und Militärexperten skeptisch auf die Idee deutscher Soldaten im Libanon - sondern auch wegen der Gegenwart der Bundeswehr.

Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Reinhold Robbe, hält die Zeit für einen Einsatz deutscher Soldaten in Nahost "nicht ansatzweise reif". Selbst eine Beteiligung durch logistische Hilfe, Sanitäter oder Fernmelder sei derzeit schwer vorstellbar, sagte Robbe der Thüringer Allgemeinen . "Das sind gerade die Bereiche, wo sich die Bundeswehr schon jetzt bis an die Decke streckt." Er reagierte damit auf Äußerungen des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, der sich für eine Beteiligung deutscher Soldaten an einer internationalen Schutztruppe im Libanon ausgesprochen hatte.

Auch der Sprecher des Bundeswehrverbandes, Wilfried Stolze, sagt der Zeitung: "Es fehlen die Spezialisten." Er prognostizierte: "Das kann kein kurzer Einsatz werden. Da drängt sich die Bundeswehr nicht unbedingt auf."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte in der Frage einer deutschen Beteiligung an einer internationalen Schutztruppe im Südlibanon zur Geduld. "Angesichts der Bedeutung dieser Frage verbietet sich jeder Schnellschuss, und zwar in die eine wie in die andere Richtung", sagte Steinmeier dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Sein Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), bekräftigte in der Zeitung Die Welt, über einen deutschen Beitrag könne erst nach genauer Kenntnis des noch gar nicht erteilten Mandats entschieden werden. Direkte militärische Aufgaben der Bundeswehr schloss Erler "allein schon aus historischen Gründen" eher aus. "Es ist schwer vorstellbar, dass deutsche Soldaten mit dem Gewehr im Anschlag israelischen gegenüberstehen", sagte er. Vielmehr könnte die Aufgabe deutscher Soldaten vor allem darin bestehen, bei der Ausbildung libanesischer Streitkräfte oder als Fachleute bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben eingesetzt zu werden.

"Einsatz nicht mehrheitsfähig"

Der Sprecher des rechten SPD-Flügels Seeheimer Kreis, Johannes Kahrs, äußerte sich skeptisch. Er sagte der Berliner Zeitung: "Ich glaube nicht, dass das mehrheitsfähig ist." Neben der Überlastung der Bundeswehr spreche gegen einen Einsatz im Nahen Osten auch, dass Deutschland bei einer Beteiligung nicht mehr glaubhaft als Vermittler auftreten könnte. Der Vize-Vorsitzende der Unions- Fraktion, Andreas Schockenhoff (CDU), warnte vor vorschnellen Bekenntnissen zu einer Beteiligung an einer internationalen Nahost-Friedenstruppe. "Jetzt den Finger zu strecken und hier zu schreien, wäre falsch", sagte er der Berliner Zeitung. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, sagte der Zeitung, der Wunsch des israelischen Premierministers zeige, "wie stark die deutsch-israelischen Beziehungen trotz unserer Geschichte inzwischen sind". Dennoch bedeute dies noch keinen Automatismus für eine deutsche Teilnahme.

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