Deutscher Journalist in Afghanistan verschleppt:Taliban: "Wir haben sie entführt"

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Taliban bekennen sich zur Entführung des deutschen Journalisten und seiner Begleiter. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Entführten um den Stern-Reporter Christoph Reuter.

Die Regierung der ostafghanischen Unruheprovinz Kunar hat die Entführung eines deutschen Journalisten bestätigt. Regierungssprecher Ahmad Mukhar Ajmal sagte, der Deutsche sei gemeinsam mit zwei Afghanen verschleppt worden. Das hätten die Nachforschungen der fünfköpfigen Delegation, die in den Ort Sangar entsandt wurde, ergeben.

Der Stern-Reporter Christoph Reuter, der womöglich in Afghanistan entführt worden ist - eine Bestätigung steht noch aus (Foto: Foto: stern.de)

Unterdessen bekannte sich ein Mann, der sich als Taliban-Kommandeur Kari Ischak ausgab, in einem Telefonat mit AFP im Namen der islamistischen Rebellen zu der Geiselnahme: "Wir haben sie entführt und unsere Führer werden über ihr Schicksal entscheiden."

Zuvor war von Regierungssprecher Ajmal noch darüber spekuliert worden, ob Taliban oder Kriminelle Drahtzieher der Geiselnahme seien. Sowohl die Rebellen als auch kriminelle Banden operierten in der Region, in die der Deutsche reiste. Der Sprecher bestätigte, die Geiseln seien gegen ein Uhr in der Nacht zum Mittwoch aus einem Privathaus im Ort Sangar verschleppt worden.

Vermutlich handelt es sich bei dem deutschen Entführten um den Stern-Reporter Christoph Reuter. Das Hamburger Magazin Stern kann eine Entführung seines Reporters in Afghanistan nicht ausschließen. Sprecherin Isabelle Haesler erklärte: "Wir versuchen, Christoph Reuter zu erreichen. Noch ist das nicht gelungen."

Laut Internetauftritt des Stern hat Christoph Reuter Islamwissenschaften studiert und berichtet seit über zehn Jahren aus der islamischen Welt, zunächst für Die Zeit. 1997 erhielt er den Springer-Journalistenpreis.

Ausgewiesener Experte

Sein Buch über Selbstmordattentäter "Mein Leben ist eine Waffe" (2002) - das Erste überhaupt zum Thema - wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Reuter reiste mehrfach in den Irak und nach Afghanistan. Er spricht fließend arabisch.

Reuter habe zuletzt für den Stern von Hamburg aus mit Journalisten vor Ort eine Umfrage unter Afghanen organisiert, ob die Bundeswehr im Lande bleiben solle oder nicht. Anschließend habe Reuter von Hamburg aus einen lange geplanten Urlaub angetreten.

Derzeit werde beraten, wie weiter vorgegangen werden solle. Man mache sich "große Sorgen um Christoph Reuter", erklärte die Stern-Chefredaktion in Hamburg.

Die Stern-Chefredaktion hob hervor, dass Reuter das Land sehr gut kenne, weil er in den vergangenen Jahren immer wieder für das Magazin dort gewesen sei und viele Reportagen gemacht habe. Reuter war auch mehrfach im Irak.

Der Gouverneur Shalezai erklärte, die bergige und unsichere Region Sangar liege vier Stunden Fußmarsch entfernt: "Es war dumm von dem Deutschen, dorthin zu gehen."

Er fügte hinzu: "Es war ein großer Fehler, der mir jetzt große Kopfschmerzen bereitet." Nach seinen Angaben versuchten der Deutsche und sein Begleiter, eine Region zu erreichen, in der es Anfang des Monats zu heftigen Kämpfen gekommen sei. Dabei seien Dutzende von Zivilisten getötet worden. Die Reisenden hätten sich bei örtlichen Behörden nicht gemeldet oder Rat eingeholt.

Bei einer der afghanischen Geiseln handelt es sich den Angaben zufolge um einen Übersetzer, die Rolle der zweiten Geisel blieb unklar.

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