Deutscher Ärztetag:Stockender Redefluss

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Bei der Kommunikation zwischen Arzt und Patient liegt viel im Argen. Das lässt sich nicht mit Lernfibeln verbessern. Man muss bei der Zulassung zum Studium auf die Eignung achten.

Von Kim Björn Becker

Ob es eine seltene Krankheit sei, die man da bei ihm festgestellt habe, will der Patient von seinem Arzt wissen. Darauf der Mediziner: "Keineswegs, guter Mann, die Friedhöfe sind voll davon!" Fast jeder Arztwitz handelt am Ende davon, dass Ärzte und Patienten unterschiedliche Sprachen sprechen. Es ist kein Wunder: Für den Mediziner wird selbst die schlimmste Diagnose zur Routine, irgendwann kann auch die Übermittlung der Botschaft zur Formsache werden. Der Patient hingegen ist darauf angewiesen, vom behandelnden Arzt über seinen Zustand aufgeklärt zu werden - fachlich kompetent, das versteht sich von selbst, doch auch mit einem Grundverständnis für seine Sorgen und Ängste.

An diesem Dienstag trifft sich die Ärzteschaft in Frankfurt. Eines der Hauptthemen des Deutschen Ärztetags: die Kommunikation am Krankenbett. Aus der Sicht der Patienten ist es dringend nötig, dass sich die Mediziner des Themas annehmen - auch wenn der Nutzen für die Behandelten wohl marginal bleiben wird. Schließlich hatten die Ärzte das Thema bereits im vergangenen Jahr auf der Agenda: Man sehe "mit Sorge, dass sich die Rahmenbedingungen für die Arzt-Patienten-Kommunikation im deutschen Gesundheitswesen immer weiter verschlechtern", hieß es in einer Erklärung. "Ökonomisierung, Bürokratisierung und Schematisierung der Medizin drohen die zuwendende Begegnung von Arzt und Patient in den Hintergrund zu drängen." Passiert ist wenig.

Die Zulassung zum Studium muss auf persönliche Eignung achten

Gewiss, der Zeitdruck verhindert es in deutschen Kliniken täglich unzählige Male, dass sich die behandelnden Ärzte ausreichend Zeit für das Gespräch mit ihren Patienten nehmen können. Für Pfleger gilt dasselbe. Allerdings steht nirgendwo geschrieben, dass alle Gespräche unter fünf Minuten allein der Rationalität der Informationsvermittlung unterworfen sein müssen. Selbst zwischen Tür und Angel ist es möglich, Empathie zu zeigen, und sei es mit einer Geste. Dass viele Ärzte überdies selbst einem technokratisch anmutenden Verständnis von Kommunikation aufsitzen, macht die Lösung des Problems nicht gerade leichter. Das illustrierte gerade erst die Ärztekammer Nordrhein. Deren Präsident Rudolf Henke sagte: "Gute Kommunikation ist ärztliches Handwerkzeug." Die Kammer gab sogar eine Broschüre heraus, "Kommunikation im medizinischen Alltag". Dort konnten Mediziner zum Beispiel die Technik des Wiederholens lernen, in der Theorie: "Beim Wiederholen werden Worte wiederholt, die der Patient gerade geäußert hat; dies ist nur dann sinnvoll, wenn ein stockender Redefluss wiederbelebt werden soll." Das war gut gemeint. Doch man stelle sich einmal einen Mediziner vor, wie er - hölzern und klar nach Textbuch - seinem Patienten eine Krebsdiagnose überbringt. Wie man den richtigen Ton trifft - das lernt man nicht so wie das korrekte Führen des Skalpells.

Viel wichtiger als jede Lernfibel ist die persönliche Eignung angehender Mediziner - es wird ja auch kein Grobmotoriker Chirurg. Ein Mensch, der über ein gerüttelt Maß an Mitgefühl verfügt, wird auch ohne Training wissen, was er in einer bestimmten Situation zu tun hat und was er besser lassen sollte. Schulungen können gewiss helfen, doch sie lösen nicht das Problem. Vor diesem Hintergrund muss neben der fachlichen auch die persönliche Eignung stärker in den Vordergrund treten. Die Forderung des vergangenen Ärztetags, die "Kommunikationskompetenz" der Ärzte zum "Schwerpunkt der Ausbildung" zu machen, geht in die richtige Richtung. Doch sie genügt nicht. Eine wirklich kluge Regelung beginnt bei der Zulassung zum Medizinstudium - und umfasst neben den Schulnoten auch die persönliche Eignung. In diesem Jahr sollten die Ärzte einen klaren Impuls in diese Richtung setzen.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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