Der SPD-Parteitagscheck:Zwischen Wunsch und Realität

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Mehrfach haben die Delegierten der SPD in Hamburg die Parteiführung überstimmt. Mit Realpolitik hat das nicht immer etwas zu tun. Die vier wichtigsten Beschlüsse im Realitätscheck.

Von Thorsten Denkler, Hamburg

Nach dem Parteitag ist vor der Umsetzung. So sollte es sein. In Hamburg hat die SPD einige ziemlich konkrete Dinge beschlossen. Nur das mit Umsetzung dürfte in einigen Fällen dann doch nicht so einfach werden.

SPD-Chef Beck: Beschlüsse zwischen Wunsch und Realität (Foto: Foto: AFP)

Tempolimit:

Die Genossen scheinen vor dem Parteitag in Hamburg noch schnell einen Blick in die Satzung gewagt zu haben. Da steht: Das höchste beschlussfähige Gremium ist der Parteitag. Heißt im Klartext: Der Wille der Basis geschehe. Auch wenn der Wille der Basis nicht ganz dem der Parteiführung entspricht.

Das am Samstag beschlossene Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen ist so ein Fall. Die Parteiführung war jetzt nicht direkt dagegen. Sie wollte nur erst mal verhindern, dass die Nachricht von dem Parteitag ausgeht: SPD will Tempo 130.

Sie hat es nicht verhindern können. Doch was nun? Ein Tempolimit, daran hat Hans-Jochen Vogel heute noch erinnert, ist bereits vom Parteitag 1984 in Essen beschlossen worden. Damals sollte es noch Tempo 100 sein. Seitdem sind viele Jahre Kohl vergangen, aber eben auch sieben Jahre Rot-Grün. In diesen sieben Jahren ist vieles beschlossen worden, aber kein Tempolimit.

Und das wird so schnell auch nicht kommen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte: "Vor drei Jahren mit einem anderen Koalitionspartner hätte dieser Parteitagsbeschluss sofort umgesetzt werden können. Mit dem jetzigen Partner sehe ich da große Schwierigkeiten." Und wie auf Bestellung sekundierte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla: "Mit der CDU sind solche Gängeleien nicht zu machen."

Bahn-Privatisierung:

Das wird ein schwerer Brocken für die Verhandlungsführer der SPD. Aber auch das war schon im Vorfeld des Parteitages klar. Kurt Beck hat den Vorschlag gemacht, dass die Kapitalprivatisierung der Bahn zunächst über nicht stimmberechtigte Vorzugsaktien, so genannte Volksaktien, laufen soll.

In einem ersten Schritt sollen so 25,1 Prozent des staatseigenen Unternehmens an die Börse gebracht werden. Wenn das gut läuft, können bis zu 49 Prozent der Bahn an die Bürger verkauft werden. Ziel ist, privaten Kapitalgebern keine Chance zu geben, im Bahn-Aufsichtsrat die Unternehmenspolitik zu beeinflussen. Die Angst vor den Heuschrecken ist unter den Genossen besonders ausgeprägt.

Dass die Union gegen das Modell der Vorzugsaktien ist, ist hinlänglich bekannt. Nur ist nach dem Parteitag ein Verhandlungsspielraum für die SPD kaum noch vorhanden.

Dienstwagen:

Auch nicht ganz im Sinne der Parteiführung war der Beschluss, schwere Dienstwagen nicht länger steuerlich zu begünstigen. Die schnellen Manager-Schlitten seien "Spritfresser" und "CO2-Schleudern". Wenn man verlange, dass die Bürger mehr auf den Verbrauch ihrer Vehikel achteten, dann könnten nicht die größten Benzin-Verbraucher vom Staat gefördert werden, sagen die Befürworter.

Kein schlechter Vorschlag. Aber auch hier gilt: Ab Montag müssten dafür Mehrheiten organisiert werden. Die sind - wie beim Tempolimit - in weiter Ferne. Die geballte Macht der Auto-Lobby wird das schon zu verhindern wissen. Chef-Lobbyist der Autohersteller ist ein gewisser Matthias Wissmann. Der Mann war unter Kohl Verkehrsminister und bis vor kurzem noch gut vernetzter CDU-Abgeordneter im deutschen Bundestag.

Kohlekraftwerke:

Wieder so ein Punkt, an dem die Basis ihren Umweltminister auf der linken Spur überholt hat. Geht es nach dem Parteitag, werden in Zukunft Kohlekraftwerke nur noch dann gebaut werden dürfen, wenn gleichzeitig die dort produzierte Wärme genutzt wird. Dieses Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) macht fossile Kraftwerke effizienter.

Umweltminister Sigmar Gabriel hat prinzipiell nichts gegen KWK-Kraftwerke. Auf der sommerlichen Regierungsklausur in Schloss Meseberg ist sogar beschlossen worden, den KWK-Anteil von heute zehn auf bis zu 25 Prozent zu steigern.

Doch die politische Realität ist: Der für den Energiemarkt zuständige Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hält nicht viel davon. Er sieht vor allem die hohen Kosten für die Stromkonzerne, die dann für jedes Kohlekraftwerk ein teures Fernwärmenetz anlegen müssten. Zudem: Auch unter Rot-Grün gab es hier keinen echten Durchbruch. Glos steht mit seiner Haltung ganz in der Tradition seines Vorgängers Wolfgang Clement (SPD), der ein damals geplantes KWK-Gesetz verhindert hat.

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