Der Papst in Polen:Schweigen vor dem Schrecken

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Der Papst durchschreitet das Tor zum früheren deutschen Vernichtungslager Auschwitz. (Foto: Pawel Supernakdpa)

Franziskus besucht die früheren deutschen Vernichtungslager Auschwitz und Birkenau.

Als drittes Oberhaupt der katholischen Kirche hat Papst Franziskus das ehemalige deutsche Todeslager Auschwitz besucht. Allein schritt der Papst am Freitagmorgen im Stammlager über den Schotterweg und durch das Eingangstor mit der berüchtigten Aufschrift "Arbeit macht frei". Ein Wagen brachte den Papst weiter zum Appellhof mit dem Galgen, wo Franziskus eine Viertelstunde verweilte. Anschließend traf der Papst zwölf Auschwitz-Überlebende, darunter die 101 Jahre alte polnische Geigerin Helena Dunicz Niwińska und den Münchner Peter Rauch.

Am sogenannten Todesblock 11 des Lagers zündete Franziskus vor der Mauer, vor der SS-Offiziere Tausende Menschen erschossen, eine Öllampe und eine Kerze an, die ihm die Überlebenden übergeben hatten. Danach betete Franziskus allein in Kellerzelle 18, der Todeszelle des Franziskanerpaters Maximilian Kolbe, der vor 75 Jahren in Auschwitz anstelle von Franciszek Gajowniczek starb, einem verheirateten Offizier der polnischen Armee mit zwei Söhnen. Kolbe wurde am 14. August 1941 mit einer Giftspritze ermordet.

Gajowniczek überlebte Auschwitz. Papst Franziskus küsste den Betonboden der Zelle und legte ein Gesteck aus roten und weißen Blumen nieder, bevor er minutenlang gebeugt auf einem Schemel betete. "Herr, erbarme dich deines Volkes. Herr, vergib so viel Grausamkeit!", schrieb Franziskus danach auf Spanisch in das Besucherbuch, bevor er in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau weiterfuhr. Insgesamt ermordeten Deutsche in Auschwitz bis zu 1,5 Millionen Menschen, die überwältigende Mehrheit von ihnen Juden.

Im Lager Birkenau warteten tausend Gäste auf den Papst, der die Tafeln der Gedenkstätte abschritt und vor ihnen ein Licht aufstellte. Anschließend begrüßte er Maria Augustyn und andere Polen, die im Krieg unter Einsatz ihres Lebens Juden gerettet hatten. Der Papst verzichtete - anders als seine Vorgänger - auf eine Ansprache. Später flog er nach Krakau zurück und sagte dort in einer Rede vor Teilnehmern des Weltjugendtages: "Die Grausamkeit hört nicht in Auschwitz und Birkenau auf. Auch heute foltern sich die Menschen."

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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