Degler denkt:Zorn und Zaudern

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Die Gier von Bankvorständen wie Georg Funke kennt keine Grenzen. Ähnlich schlimm ist, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die falschen Prioritäten setzt.

Dieter Degler

Eigentlich wollte ich in dieser Woche meiner Wut über die unverschämt gierigen Vorstände von Postbank und Hypo Real Estate (HRE) freien Lauf lassen: Die einen gönnen sich 11,5 Millionen Euro Boni, obgleich sie vergangenes Jahr ein paar hundert Millionen Verlust eingefahren haben. Und Herr Funke, der ehemalige Vorstandschef der Skandalbank HRE - die Anleger, Steuerzahler und Arbeitnehmer um mehr als 100 Milliarden Euro bringen wird -, klagt jetzt auch noch auf weitere Gehaltszahlungen im Volumen von 3,5 Millionen Euro sowie jährliche Ruhestandsbezüge von 560.000 Euro.

Georg Funke, der frühere Chef der Hypo Real Estate. (Foto: Foto: dpa)

Ich bin kein Jurist, weiß aber, dass einmal geschlossene Verträge einzuhalten sind. Mir ist auch klar, dass die Rechtsprechung unabhängig vom Zorn des Volkes ist. Das ist auch gut so. Diese Unabhängigkeit aber könnte und sollte die Justiz im Fall Funke so kreativ wie möglich nutzen, um dem Mann an den Kragen zu gehen.

Was früher "Gerechtigkeitslücke" hieß, reißen unsoziale Leute wie Funke lichtjahresbreit auf. Es ist einfach maß- und schamlos, was der Mann, der jahrelang ein Millionengehalt einstrich, sich nach dem von ihm an erster Stelle mit zu verantwortendem Desaster herauszunehmen versucht. Er sollte sich, falls ihn die Justiz nicht erwischt, wie der Steuerhinterzieher Klaus Zumwinkel in einer Burg im Süden verbunkern.

Die Fehler der Kanzlerin

Mehr Aufmerksamkeit verdient allerdings, eine Etage höher, die Dame Angela Merkel, die seit Beginn der Großen Krise brutta figura macht. Nicht etwa, weil sie bei der Neuordnung der Vorschriften für Managerverträge keine Gehaltsobergrenze zugelassen hat.

Auch nicht, weil sie Teilen der CDU - und der CSU sowieso - zu sozialdemokratisch wirkt und der FDP scharenweise Wähler zutreibt. Nein, die Kanzlerin begeht in der Großen Krise zu viele Fehler, und einer davon könnte äußerst folgenschwer sein.

Während US-Präsident Barack Obama aus den dramatischen Folgen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers gelernt hat und nun mit Billionen versucht, den weitgehend versiegten Geldfluss wieder in Gang zu setzen und die Konjunktur von Land und Welt anzukurbeln, zaudern die Deutschen und Europäer beim Wiederanschieben.

Die Firma Merkel verplempert stattdessen wertvolle Zeit mit großen Debatten über Schutzschirme für obsolete Kfz-Hersteller oder Autozulieferer und kämpft dafür, den Finanzmarkt künftig so zu regulieren, dass sich Ähnliches nicht wiederholt. Letzteres ist nicht falsch, aber es kommt auf die Prioritäten an.

Denn es nutzt nicht viel, alle Schaefflers, Opels, Landesbanken und wer weiß was vor dem Exitus zu retten, wenn die Konjunktur darbt. Was helfen ein sanierter Maschinenbau oder gerettete Automobilzulieferer, wenn die Märkte nicht funktionieren und die Produzenten auf ihren Waren sitzenbleiben? Die Reihenfolge muss also genau andersherum sein: Zuerst muss der konjunkturelle Absturz abgefangen werden, das Interbankengeschäft muss in Gang kommen und das ökonomische Karussell sich wieder drehen, notfalls mit einem gewissen Inflationsrisiko. Danach kann saniert werden, wo Sanieren noch sinnvoll ist.

Weltwirtschaft ist aus den Fugen geraten

Offenbar hat Frau Merkel noch immer nicht die Dimensionen der Krise erfasst: Gerettet werden muss nicht irgendetwas Nationales, geschweige denn ein einzelnes Unternehmen. Aus den Fugen geraten ist die gesamte Weltwirtschaft, von der unser aller Wohlergehen mit abhängt. Soll dieser freie Fall der Globalökonomie in absehbarer Zeit gestoppt werden, müssen sofort international koordinierte Konjunkturprogramme her, bei denen Deutschland und Europa in der ersten Reihe der Ankurbler stehen müssten.

Das muss nicht nur mit zusätzlich in den Konsumkreislauf gepumptem Geld geschehen wie bei der Abwrackprämie, auch kreative Maßnahmen können helfen - und selbst über den Gebetsmühlenruf der FDP nach Steuersenkungen kann man nachdenken.

Wie bekommt man das in Berliner Köpfe? Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman versuchte es diese Woche mit der Schmähung, Deutschland sei Teil des Problems und nicht der Lösung, weil es der Kanzlerin an intellektueller Beweglichkeit mangele. Man kann nur hoffen, dass Europa und die USA in dieser kritischen Phase nicht auseinanderdriften. Und dass es Krugmans Landsleuten auf dem Weltfinanzgipfel am Wochenende in London diplomatisch geschickter gelingt, Angela Merkel zur Einsicht in die richtige Schlachtenfolge im Krisenkrieg zu bewegen.

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