Degler denkt:SPD, ab in die Opposition!

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Mit 14 Urnengängen und der Entscheidung über den Bundespräsidenten wird 2009 ein Superwahljahr. Die SPD steuert auf eine Regierungs-Auszeit zu.

Dieter Degler

"Opposition ist Mist" hat SPD-Chef Franz Müntefering einmal gesagt. Damit wollte er den Machtanspruch seiner Partei verdeutlichen, die nicht ewig Juniorpartner in Berlin sein möchte. Aber aus einer großen Koalition heraus den größeren Partner zu überflügeln, ist in der Geschichte des Landes erst einmal gelungen - 1969.

Keine Lust auf Opposition: SPD-Parteichef Franz Müntefering (l.) und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. (Foto: Foto: dpa)

Und damals gab es einen Willy Brandt als Spitzenkandidaten und die SPD war noch eine andere Partei. Vieles, was heute inhaltlich und personell bei Grünen und Linken versammelt ist, war damals integrierter Teil der Sozialdemokratie.

Deshalb ist die Herausforderung, vor der die Müntefering-Partei in diesem Jahr steht, ungleich größer als vor vier Jahrzehnten, da die Union mit Kurt-Georg Kiesinger einen nicht sonderlich beliebten Kanzler stellte.

Hiebe für die SPD

Angela Merkel rangiert beim Start in das Superwahljahr, in dem neben der Bundestags- und Europawahl insgesamt zwölf Landtags- und Kommunalwahlen anstehen, auf der Sympathieskala der Wähler unverändert weit oben; die Union führt in Umfragen mit zehn bis fünfzehn Prozentpunkten vor den Sozialdemokraten.

Den ersten Hieb wird die SPD, falls nicht alles täuscht, bei der Landtagswahl in Hessen am übernächsten Sonntag einstecken müssen, wenn die Wähler die Rechnung für den Zickzackkurs der vergangenen Monate präsentieren. Die nächste Niederlage wird sie Ende Mai kassieren, wenn Gesine Schwan wieder nicht Bundespräsidentin wird.

Anfang Juni folgen die Europawahl und insgesamt acht Kommunalwahlen, bei denen vor allem die freien Wählergemeinschaften reüssieren dürften. Ende August schließlich werden, letzte Station vor der Bundestagswahl, die Parlamente in Sachsen, Thüringen und dem Saarland gewählt.

Vor allem die Wahlen um die Landtage in Saarbrücken und Erfurt werden vorentscheidende Bedeutung für die Hauptwahl des Jahres haben. Denn in Thüringen sind die Sozialdemokraten nur die Nummer zwei im linken Spektrum, und im Südwesten der Republik droht der Volkstribun und Regionalheld Lafontaine, seine Ex-Partei ebenfalls auf diesen Platz zu verweisen.

Gelingt es der SPD bis zu diesen Terminen nicht, sich den Wahlberechtigten attraktiver zu präsentieren als derzeit, stehen die Chancen auch für die Bundestagswahl vier Wochen danach schlecht.

Hindernis L-Frage

Wie aber könnten Müntefering und der Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier das Blatt noch wenden? Sie müssten, erstens, die Reihen der Partei wieder schließen, die in den vergangenen fünf Jahren viermal ihren Vorsitzenden ausgetauscht hat.

Dazu müssen vor allem die widerstreitenden Parteiflügel befriedet und in ein inhaltliches und personelles Konzept eingebunden werden. Wie schädlich sich rechte und linke Protagonisten auf das Wohl der Gesamtpartei auswirken, war vergangenes Jahr exemplarisch an den Fällen Andrea Ypsilanti und Wolfgang Clement abzulesen.

Steinmeier und Müntefering müssten, zweitens, den Sympathie- und Mitgliederschwund stoppen oder gar umkehren, was wohl nur gelingen dürfte, wenn sie, drittens, endlich ein nachvollziehbares und glaubwürdiges Verhältnis zur Linkspartei entwickeln.

Vor allem die offene L-Frage hat die SPD in den letzten Jahren daran gehindert, zu sich selbst zu finden. Denn was Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Lothar Bisky vorschlagen, stammt oft aus dem programmatischen Fundus der Sozialdemokratie und ist deshalb für die anderen Genossen kaum zu kontern.

Die bisherige SPD-Position - in den Ländern für Rot-Rot, im Bund dagegen - wird nicht glaubwürdiger und erfolgreicher werden, wenn man sie gebetsmühlenartig wiederholt. Deshalb gibt es für diese Frage auf Dauer nur eine Antwort: Die Linke ist für die Sozialdemokraten ein potentieller Koalitionspartner auf allen Ebenen.

Da die SPD wohl noch länger brauchen wird, sich von ihrer taktischen Position zu lösen, wird es, wenn nicht alles täuscht, darauf hinauslaufen, dass sie entweder weiterhin den Juniorpartner neben der Merkel-Union gibt, oder, was ihr besser täte, auf den Oppositionsbänken Platz nimmt.

Denn das muss dann ja nicht jener "Mist" sein, von dem der Parteichef so abfällig spricht. Es könnte auch der Dünger sein, auf dem in Demokratien nach einer Weile wieder Regierungsmehrheiten entstehen.

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