Debattenkongress der SPD:Camp für einen neuen Staat

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Beamte sollen in die Rentenversicherung einzahlen, Hartz IV wird abgeschafft: Die SPD erfindet die Sozialsysteme neu.

Von Jean-Marie Magro, Berlin

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles fordert eine tief greifende Reform des Sozialstaats. "Wir brauchen eine Reform am System und nicht im System", sagte Nahles auf dem sogenannten Debattencamp ihrer Partei in Berlin. Der Sozialstaat in seiner derzeitigen Form laufe den rapiden Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft hinterher.

Von 2025 an soll nach Vorstellungen der Parteivorsitzenden jeder Bürger in die Rentenversicherung einzahlen, eingeschlossen Selbständige und Beamte. Außerdem dürfe dann kein Kind in Deutschland mehr auf Sozialhilfe angewiesen sein. Hilfen für arme Kinder sollen "bedingungslos" werden. Nahles verabschiedete sich außerdem in Teilen von den Arbeitsmarktreformen des ehemaligen sozialdemokratischen Bundeskanzlers Gerhard Schröder: "Wir werden Hartz IV hinter uns lassen", sagte sie. Wie das genau geschehen sollte, sagte sie allerdings nicht.

Ein weiterer Schwerpunkt von Nahles' Rede war Europa. Nahles will, dass die SPD mit anderen linken, progressiven Parteien neue Allianzen schmiedet: "Wir müssen mit der Kleinstaaterei aufhören", sagte die SPD-Vorsitzende. Zudem schloss sie sich der Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einer europäischen Armee an.

Auf dem zweitägigen Debattencamp der SPD diskutierten nach Angaben der Partei mehr als 3400 Teilnehmer. Mit dem neuen Format will die SPD-Spitze den Erneuerungsprozess anstoßen, um aus dem aktuellen Tief herauszukommen. Auf etwa 60 Veranstaltungen debattierten Spitzenpolitiker mit der Basis über die Zukunft der Partei. Es gab verschiedene Podiumsdiskussionen und Workshops. Neben der Agenda 2010 und der Rente spielten vor allem die Themen Arbeitszeit und Klimaschutz eine große Rolle. Viele Basismitglieder sprachen sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine Steuer auf CO₂-Emissionen aus. Beim Thema Klimaschutz deutete Nahles ein Entgegenkommen an. "Es gibt Konflikte, aber die können wir produktiv auflösen", sagte die Vorsitzende. Auch Themen wie Migration, Wohnen, Pflege und Verkehr wurden besprochen.

In den kommenden Wochen sollen die Debatten ausgewertet werden. Die Ergebnisse sollen schon am 14. Dezember bei der SPD-Vorstandsklausur und bei der Jahresauftaktklausur im Februar Berücksichtigung finden und bei "wichtigen Entscheidungen einfließen", sagte Generalsekretär Lars Klingbeil. Später sollen die neu gewonnenen Ideen in einem Thesenpapier zusammengefasst werden. Danach folgen acht weitere regionale Debattencamps. Schließlich sollen zum Ende 2019 auf dem Bundesparteitag dann vier bis fünf klare Botschaften stehen, mit denen die SPD in den nächsten Bundestagswahlkampf zieht.

Nahles beschrieb das Debattencamp während der Abschlusskundgebung als ein "grandioses Wochenende". Sie machte deutlich, dass die SPD in den nächsten Tagen vor allem eine positivere Einstellung und Leidenschaft brauche. Das Debattencamp habe gezeigt, das wäre möglich. Sie habe während der zwei Tage vor allem eines gehabt, nämlich Spaß.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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