Debatte:Vorarbeit aus Stuttgart

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Während in München die Diskussion über Fahrverbote und Luftverschmutzung noch am Anfang steht, sind sie im Südwesten der Bundesrepublik schon weiter.

Von Max Hägler, München

Nun also noch einmal von vorne. So könnte man die Diesel-Debatte einordnen, die München erreicht hat. Über schlechte Abgasreinigung und darauf folgende Fahrverbote wird in anderen Städten bereits seit einigen Monaten diskutiert, zuvorderst in dem aus doppelter Hinsicht wohl am stärksten betroffenen Ort: Stuttgart, die Stadt mit den miesesten Luftwerten. Die EU-Kommission klagt am Beispiel Stuttgarts gegen Deutschland wegen Überschreitung der Stickoxid-Werte; seit dem 1. Januar werden hier bereits einige Straßen gesperrt. Und am 19. Juli kommt es zum Showdown: Die Deutsche Umwelthilfe klagt auf Sperrung der ganzen Stadt für Diesel-Motoren. 380 000 Fahrzeughalter wären betroffen.

Der grüne Verkehrsminister will dort Autos mit guter Abgasreinigung nicht aussperren

Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn und die grün geführte Landesregierung samt des Verkehrsministers Winfried Hermann waren dem lange gar nicht so abgeneigt - sehen das aber nun differenzierter: Ein komplettes Fahrverbot führt auch zu gravierenden sozialen Verwerfungen - und würde der dort ansässigen Autoindustrie stark schaden. "Wir wollen in Stuttgart nicht alle Diesel-Fahrzeuge aussperren", sagt Hermann. "Diejenigen mit einer guten Abgasreinigung wollen wir fahren lassen." Ein komplettes Fahrverbot schwebt allerdings dem Münchner OB gar nicht vor. Bereits seit Monaten sucht die Politik nach einer Lösung, auch in Gesprächen mit den Konzernchefs. In mittlerweile recht enger Zusammenarbeit mit dem Branchenverband VDA hat die Südwest-Politik mehrmals alle deutschen Hersteller und auch die relevanten ausländischen an einen Tisch geholt. Das Thema: Nachrüstkits für Diesel-Motoren. Aufgrund des Drucks aus der Autohauptstadt Stuttgart haben Audi, BMW, Mercedes, Opel und die anderen getestet und gebastelt - mittlerweile scheinen ordentliche Lösungen möglich zu sein. Jetzt denken sie in Stuttgart auch an den Datenschutz: wie können Kontrollen ohne Eingriffe in Grundrechte ablaufen. Es geht also voran im Kessel, in dem anders als in Bayern die Politik mit der gleichen Stoßrichtung arbeitet.

Zugleich müsse das Bundesverkehrsministerium das erarbeitete Konzept zur Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge rasch voranbringen, fordert die Landesregierung in Baden-Württemberg, die dazu auch einen entsprechenden Entschließungsantrag im Bundesrat eingebracht hat. "Der Bund muss endlich verbindliche Voraussetzungen für die Diesel-Nachrüstung schaffen", sagt Hermann. In seinem Haus fürchtet man: Kommt das bis zum 19. Juli nicht voran, dann unterliegen Stadt und Land - und es wird alsbald eine komplette Diesel-Sperrung angeordnet.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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