Debatte um Jugendkriminalität:Parteispitze pfeift Koch zurück

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Jetzt ist Roland Koch zu weit gegangen: Während das CDU-Präsidium seinem Vorschlag zur Strafmündigkeit eine Absage erteilt, relativiert der hessische Ministerpräsident seine Äußerungen. Auch die CSU distanziert sich von Koch.

Das CDU-Präsidium hat dem Vorschlag von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zur Anwendung von Jugendstrafrecht auch bei Kindern eine Absage erteilt. "Es geht uns nicht um die Absenkung der Strafmündigkeit", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla: "Es geht uns nicht um die Absenkung der Strafmündigkeit" (Foto: Foto: dpa)

Koch selbst ruderte indes zurück und sagte, seine Äußerungen seien fehlinterpretiert worden. "Die Zuspitzung, die das Ganze erfahren hat, hat mich selbst überrascht. Es klingt, als wollten wir Kinder ins Gefängnis stecken. Dem ist selbstverständlich nicht so", ließ der hessische Ministerpräsident über die Wiesbadener Staatskanzlei verbreiten.

Allerdings müsse der Staat sich etwas einfallen lassen, wie er mit Jugendbanden umgehe "und insbesondere auch mit dem Umstand, dass versucht wird, sich die Strafunmündigkeit von 12- und 13-Jährigen zunutze zu machen", sagte Koch. Den Vorschlag der FDP, Einweisungen in Erziehungsheime vorzunehmen, bezeichnete der hessische Ministerpräsident als "sehr bedenkenswert".

Koch hatte am Wochenende in einem Interview erklärt, die Politik müsse zur Kenntnis nehmen, dass es "eine sehr aggressive Kriminalität einer sehr kleinen Gruppe von Menschen unter 14 Jahren gibt". In Ausnahmefällen halte er es für sinnvoll, Elemente des Jugendstrafrechts schon für diese Altersgruppe einzusetzen.

Denkbar sei auch die striktere Entziehung des Sorgerechts durch die Jugendbehörden. Noch vor der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin sagte Koch, er sei offen dafür, eine Zwangseinweisung in Erziehungsheime auch über das Erziehungsrecht zu regeln.

Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) lehnte den Koch-Vorschlag ab: "Kinder sind Kinder, und da stellt sich die Frage vor allem nach den Eltern."

Auch in der Schwesterpartei CSU stößt der Koch-Vorstoß auf Ablehnung. Es sei richtig, über den Umgang mit Kindern unter 14 Jahren nachzudenken, die mit besonderen Gewaltdelikten auffielen, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk. Dabei müsse man sich aber auf konsensfähige und durchsetzbare Maßnahmen konzentrieren. "Die Bürger erwarten, dass wir nicht nur Vorschläge machen, sondern diese auch umsetzen."

Und auch aus dem Freistaat kommen verhaltene Töne. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein äußerte sich zurückhaltend zu Kochs Vorschlag, das Jugendstrafrecht in Einzelfällen auch auf Kinder auszudehnen. Eingriffe in das elterliche Erziehungsrecht und Einweisungen in geschlossene Heime seien der richtige Weg, sagte der CSU-Politiker. Weitere Wege seien zu prüfen.

Probleme gebe es vor allem mit massiv gewalttätigen 13-Jährigen sowie mit so genannten Klaukindern, die von ihren Eltern auf Diebestour geschickt würden, weil sie strafunmündig seien. Wenn ein 13 Jahre und elf Monate alter Junge einen Menschen umbringe, wisse er in der Regel schon, dass das Unrecht sei, so Beckstein weiter.

Aber "unser Weg heißt nicht, die Herabsetzung auf zwölf Jahre zu fordern", sagte Beckstein. "Mit geschlossenen Heimen leisten wir einen wichtigen Beitrag." Die Hälfte der 200 geschlossenen Heime in Deutschland seien in Bayern.

Beckstein: SPD soll Widerstand aufgeben

In einem eigenen Sicherheitskonzept fordert die CSU neben schärferen Strafen und schnelleren Ausweisungsmöglichkeiten jugendlicher Gewalttäter auch vorbeugende Maßnahmen. So soll nach dem Beschluss des bayerischen Kabinetts an Brennpunkten wie U- und S-Bahnen die Videoüberwachung ausgeweitet und verstärkt Sicherheitspersonal eingesetzt werden. Außerdem sollen Mehrfachtäter leichter in geschlossenen Heimen untergebracht werden können. Zugleich soll die Jugendsozialarbeit verstärkt werden.

Beckstein appellierte an die SPD, "jetzt endlich den Widerstand aufzugeben, damit wir die notwendigen Gesetzesänderungen auf den Weg bringen können". Die Diskussion um die Jugendgewalt dürfe nicht "in die Schmuddelecke" gestellt werden.

Ungeachtet der Kritik aus den eigenen Reihen stellten sich mehrere CDU-Politiker hinter Kochs Vorschlag. Der Staat solle sich auch um Problemfälle unter 14 Jahren kümmern, wenn auch nicht als Straffällige, sagte Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger sagte, in wenigen Ausnahmefällen halte er eine Anwendung des Jugendstrafrechts bei unter 14-Jährigen für denkbar.

Heftiger Widerstand kam hingegen von SPD und FDP. "Kinder in Gefängnisse - das ist nicht Politik der Koalition", kritisierte SPD-Chef Kurt Beck in Frankfurt/Main. Er verlangte ein Eingreifen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die CDU- Vorsitzende will sich am Dienstag in Berlin zu aktuellen innen- und außenpolitischen Themen äußern.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle nannte Haftstrafen für Kinder, wie sie Kochs Vorschlag möglich erscheinen lässt, "indiskutabel". "Man kann Zwölfjährige nicht wie Schwerkriminelle ins Gefängnis strecken."

Für die Linke sagte ihr Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine: "Wir brauchen keine Sicherheitskräfte am Hindukusch, wir brauchen Sicherheitskräfte in deutschen U- und Straßenbahnen, außerdem sind gute Schulen die besten Erziehungscamps."

Zur Finanzierung plädierte Lafontaine im Bayerischen Rundfunk für eine um fünf Prozent erhöhte Steuer- und Abgabenquote. Vor allem Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie der Spitzensteuersatz müssten erhöht werden: "Damit könnten wir dann ordentlich Schulen bezahlen, damit nicht so viele Jugendliche auf schiefe Bahnen geraten."

Auch Kriminologen, Strafverteidiger und Staatsanwälte lehnten eine Verschärfung des Jugendstrafrechts als unwirksam ab: Die Vorschläge "sind ein Höhepunkt der Ignoranz gegenüber dem bestehenden Fachwissen", sagte Natalie von Wistinghausen von der Vereinigung Berliner Strafverteidiger.

Oberstaatsanwalt Klaus Pförtner aus Frankfurt am Main warf Koch einen Angriff auf die Justiz als dritte Gewalt vor. Im Jugendstrafrecht müsse die Strafe auf dem Fuße folgen. Dies gewährleiste die Politik nicht. "Es muss Geld in die Hand genommen werden für die Jugendlichen."

© AP/dpa/ddp-bay/bica/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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