Debatte um Arbeitslosengeld:Müntefering spielt SPD-Streit herunter

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Der Vizekanzler bemüht sich, den Streit in der SPD um eine längere Auszahlung des Arbeitslosengeldes I herunterzuspielen. Dies sei keine "prinzipielle Frage."

Franz Müntefering, Arbeitsminister und Vizekanzler, bekräftigte am Dienstag in der ARD, er sei gegen Änderungen an den Arbeitsmarktreformen der vergangenen Legislaturperiode: "Ich halte nicht dafür, ich glaube, dass wir bisher gut fahren dabei."

Er betonte aber auch: "Das ist keine in diesem Sinne prinzipielle Frage. Sie wird jedenfalls von der Spitze der Partei so nicht gesehen." Müntefering verwies auf Erfolge auf dem Arbeitsmarkt und appellierte an seine Partei, sich an den bisherigen Prioritäten zu orientieren: "Arbeitsplätze schaffen, Mindestlohn verbreitern, Unterstützung für die Familien mit aufwachsenden Kindern, Kinderarmut bekämpfen und im übrigen die Agenda 2010 lassen."

Ausgelöst wurde der Streit um die Reformpolitik durch den Vorstoß von SPD-Chef Kurt Beck, dass Arbeitslosengeld I länger auszuzahlen. Die CDU hatte dem eine klare Absage erteilt und der SPD vorgeworfen, sich von den Reformen der Agenda 2010 zu verabschieden.

Lob von Stiegler

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler hat Becks Vorstoß zur Änderung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I begrüßt. "Die gefühlte Ungerechtigkeit bei denen, die sehr lange Beiträge gezahlt haben, wird aufgegriffen", sagte Stiegler der Passauer Neuen Presse.

Als Begründung für den Kurswechsel sagte der bayerische SPD-Vorsitzende: "Am Arbeitsmarkt hat sich für die Älteren noch nichts gebessert. Der Fortschritt ist eine Schnecke." Das Vorhaben sei allerdings nicht neu. Darüber werde seit "mindestens sechs Wochen" geredet, sagte Stiegler.

Unterschiedliche Reaktionen aus Union

Die Leipziger Volkszeitung berichtet unter Berufung auf führende CDU-Politiker, Kanzlerin Angela Merkel habe den Unionsgremien mit "wachsender Sorge" von einer "zunehmenden Neigung der SPD zum Verteilen" berichtet. Das mache "die Lage für die Koalition nicht einfacher".

Der Unions-Arbeitnehmervertreter Karl-Josef Laumann unterstützt Becks Vorschlag. "Ich bin eindeutig dafür, dass ALG I für Menschen, die viele Beitragsjahre haben, verlängert wird", sagte der Vorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und nordrhein-westfälische Arbeitsminister im Deutschlandradio Kultur.

Dass man diese Menschen nach wenigen Monaten der Arbeitslosigkeit genauso behandele wie diejenigen, die nicht lange gearbeitet hätten, sei "eine Gerechtigkeitslücke bei Hartz IV".

Kritik kommt auch aus dem Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion. Der Chef der Mittelstandsgruppe, Michael Fuchs, forderte die SPD auf, bei den Reformen Kurs zu halten. Die SPD müsse den Mut aufbringen, zu dem zu stehen, was sie selbst entschieden habe, sagte der CDU-Politiker der Chemnitzer Freien Presse. Er forderte von den Sozialdemokraten "nicht gleich einzuknicken, und dem Druck von Oskar Lafontaine und seiner Linkspartei zu widerstehen".

Skepsis bei Wirtschaftsexperten

Bei Wirtschaftsforschern stößt der SPD-Vorstoß auf Kritik. "Das wäre ein schlimmer Rückschritt, der mitten ins Herz der so mühevoll durchgesetzten Arbeitsmarktreformen zielen würde", sagte der Konjunkturchef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, der Berliner Zeitung.

Die Begrenzung der Bezugsdauer für das ALG I habe für Betroffene starke Anreize geschaffen, sich wieder einen Job zu suchen. "Seit den 90er Jahren war die Bezugsdauer gestiegen und das hat faktisch zu einer dauerhaften Verlängerung der Arbeitslosigkeit geführt", sagte Heinemann.

Der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft Berlin, Christian Dreger sagte, er sehe "keine Notwendigkeit, die Hartz-Reform in diesem Punkt zurückzunehmen". Die kürzere Bezugsdauer habe sich bewährt, weil sie Anreize gesetzt habe, Arbeit aufzunehmen. Zudem sei die Gefahr groß, dass bei einer Verlängerung der Bezugsdauer die Sozialkassen zu stark belastet würden.

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