Debatte über Rechtschreibreform:12 von 16 Bundesländern gegen Rückkehr zur alten Schreibweise

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Die Ankündigung führender Verlage, darunter der SZ, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, findet bislang keine Mehrheit in der Politik. Die Umstellung von neuer zu alter Schreibweise würde bis zu 250 Millionen Euro kosten.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle begrüßten die Rückkehr der Süddeutschen Zeitung, des Spiegels und des Springer Verlages zur alten Rechtschreibung.

Alt oder Neu, Fluß oder Fluss? - Die Debatte darüber ist entbrannt. (Foto: Foto: dpa)

Die Kultusministerkonferenz (KMK) will sich am 14. und 15. Oktober abermals mit der Rechtschreibung befassen, eine Woche zuvor tagen die Ministerpräsidenten.

12 der 16 Landesregierungen sprachen sich für ein grundsätzliches Festhalten der Rechtschreibreform aus. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte der Berliner Zeitung: "Ich bin gegen eine Reform der Reform." Nach der Befürchtung seines sächsischen Amtskollegen Georg Milbradt (CDU) brächte eine Rückkehr zu den alten Regeln neue Verwirrung.

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff appellierte an die anderen Länderchefs, bei ihrem Treffen im Oktober "das Scheitern der Rechtschreibreform" einzugestehen. "Jetzt können wir es wirklich schaffen, mit einem mutigen Sprung zur alten Rechtschreibung zurückzukehren", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Westerwelle: "Neue Rechtschreibung überflüssig wie ein Kropf"

Auch Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wandte sich gegen die Reform. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle kritisierte die neue Rechtschreibung als "so überflüssig wie ein Kropf".

"Die CDU wird nach einem Wahlsieg bei der Landtagswahl im Mai 2005 dafür sorgen, dass man zu den bewährten Regeln zurückkehrt", kündigte Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers in Düsseldorf an. Während Erwachsene bei den alten Regeln blieben, würden Schüler mit dem Chaos konfrontiert.

Kinder lernen nach Meinung Rüttgers in der Schule etwas anderes, als was sie täglich in Ihrer Freizeit lesen. So entstehe keine "Sprachsicherheit und Sprachvereinfachung". "Wir müssen in Deutschland den Mut haben, etwas als falsch Erkanntes zu widerrufen", sagte Rüttgers.

Kinder als Versuchskaninchen

Die SPD-geführten Länder wollen an der Reform festhalten. Der Vorstoß der beiden Verlage hätte "viel mit Kampagne und Public Relations, wenig mit Inhalt zu tun", kritisierte der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck. Längere Übergangsfristen und einzelne Korrekturen könnten die Debatte jedoch entschärfen, schlug Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) vor.

Lehrer- und Kulturverbände warnten vor einem Chaos an den Schulen und neuen Millionenkosten, wenn die Reform nun wieder rückgängig gemacht würde. "Es gibt keinerlei uns bekannte nennenswerte Probleme, weder bei Schülern noch bei Lehrkräften, die eine Veranlassung gäbe, von der neuen Rechtschreibung wieder Abstand zu nehmen", sagte Eva-Maria Stange, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im NDR. "Mit einer Reform der Reform werden Kinder zu Versuchskaninchen für die Anhäufung unterschiedlicher Schreibweisen gemacht", sagte Karl-Heinz Wurster, Vorsitzender des Philologenverbands Baden-Württemberg.

Kosten von 250 Millionen Euro

Die deutschen Schulbuchverlage hatten im Juli die möglichen Kosten für die Umstellung sämtlicher Bücher bei einer Rücknahme der Reform auf bis zu 250 Millionen Euro geschätzt. Als eine gefährliche "Angelegenheit des Sommerlochs" kritisierte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) den Schritt der beiden Zeitungsverlage. Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zeigte sich hingegen "froh und sehr zufrieden".

Der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, verteidigte die Entscheidung seines Hauses und begründete den Entschluss mit der nach wie vor mangelnden Akzeptanz der neuen Regeln durch die Bevölkerung. Nach einer Forsa-Umfrage unter 506 Befragten sind 75 Prozent der Bundesbürger für die alte Rechtschreibung, bei den 16- bis 29-Jährigen sind es 66 Prozent.

In der Schweiz und Österreich stieß die Debatte in Deutschland bei Medien und Politikern auf Kritik. So erklärte der Präsident der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), Hans Ulrich Stöckling, für die Schweizer Schulen wäre eine Rückkehr zur alten deutschen Rechtschreibung eine fatale Entwicklung. Das EDK entspricht etwa der deutschen Kultusministerkonferenz.

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