Debatte über neue Grundsatzprogramme:Beck: Der Staat braucht mehr Geld

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Der designierte SPD-Chef hält die Steuerquote für zu niedrig: Der Staat benötige vor allem für die Bildung und Kinderbetreuung mehr Mittel. Dagegen sagte CDU-Generalsekretär Pofalla, der Blick zu "Vater Staat", der alles regelt, sei nicht mehr zeitgemäß.

Christoph Schwennicke

In der großen Koalition verschärft sich der Streit über die Steuerpolitik. Der designierte SPD-Chef Kurt Beck forderte zum Auftakt der Debatte über ein neues Grundsatzprogramm mehr Geld für Zukunftsaufgaben, um die öffentliche Finanzsituation zu verbessern. Leistungsstarke müssten mehr zahlen. Die SPD-Linke besteht auf der Reichensteuer.

Dagegen sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der Blick zu "Vater Staat", der alles regelt, sei nicht mehr zeitgemäß. Nach Kanzlerin Angela Merkel lehnte auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung ab.

Der Staat benötigt nach den Worten von Beck vor allem für die Bildung und Kinderbetreuung mehr Geld. Verschuldung und die öffentliche Finanzsituation könnten "so nicht weiter fortgeschrieben werden".

Wenn man elementare Zukunftsansprüche nicht aufgeben wolle, reiche die derzeitige Steuerlastquote nicht aus. Das Gemeinwesen habe für Aufgaben wie Bildung und innere Sicherheit Anspruch auf einen "angemessenen Anteil" am Volkseinkommen. Gleichwohl müsse weiter massiv gespart werden.

Deshalb dürfe es nicht bei der niedrigen deutschen Steuerlastquote bleiben. Die Steuerlastquote bezeichnete den Anteil der erhobenen Steuern im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt eines Landes. Schon vor zwei Wochen hatte Beck mit Äußerungen Aufsehen erregt, als er die deutsche Steuerquote von 20 Prozent als zu niedrig bezeichnet hatte.

Später hatte er allerdings klargestellt, es gehe ihm dabei nicht vorrangig um Steuererhöhungen, sondern um das Schließen von Steuerschlupflöchern.

Mehr öffentliche Investitionen

Für ihr Leitbild eines "vorsorgenden Sozialstaates" fordert die SPD mehr öffentliche Investitionen, vor allem in Bildung und soziale Infrastruktur, um die Menschen von vornherein besser gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheit zu schützen.

Beck sagte, es sei "keine Todsünde, sondern eine Notwendigkeit, darüber nachzudenken, welche Aufgaben in Zukunft über Steuern und welche über Sozialabgaben finanziert werden". Das Wort Steuererhöhung gebrauchte Beck dabei erneut nicht.

Hintergrund der Steuer-Debatte in der SPD ist die aufkommende These, man habe es zu Zeiten von Rot-Grün mit Steuersenkungen übertrieben.

"Vorsorgende Sozialstaatlichkeit" bedeute nicht, "dass man nicht auf Effizienz achtet", sagte Beck weiter. So könne auch über den Sinn "mancher Finanztransfers" nachgedacht werden. Entschieden sprach sich Beck gegen eine Privatisierung von Kernaufgaben des Staates aus. Nicht alles dürfe dem Markt untergeordnet werden.

SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen sagte, die Reichensteuer werde wie im Koalitionsvertrag vereinbart kommen. "Die kleinen Leute haben bereits ihren Beitrag geleistet", fügte Annen hinzu. DGB-Chef Michael Sommer sagte, Unternehmen, Gutverdienende und Kapitalbesitzer seien bislang geschont worden und müssten künftig an der Finanzierung mitwirken.

Außer der Erhöhung der Erbschafts- und der Wiederbelebung der Vermögenssteuer müsse man sehen, welche Steuern es in anderen "erfolgreichen kapitalistischen Staaten" gebe.

Die CDU will ebenfalls im Zuge der Debatte über ein neues Grundsatzprogramm die Rolle des Staates neu definieren. Nach Ansicht von Generalsekretär Pofalla, der auch die Programmkommission leiten soll, muss sich der Staat künftig aus manchen Aufgaben zurückziehen. "Der Blick zu ,Vater Staat', der alles richten möge, ist nicht mehr zeitgemäß", mahnte der CDU-Politiker.

Der Staat müsse sich aus manchen Aufgaben ein Stück zurückziehen, um andere Aufgaben wirkungsvoller und zielgerichteter wahrnehmen zu können. Als solche nannte Pofalla Fragen der Bildung, Erziehung und Integration. CSU-Chef Edmund Stoiber forderte vom Berliner Koalitionspartner SPD ein Ende der Debatte um weitere Steuererhöhungen. Sonst werde das Regierungsbündnis vor eine "große Belastung" gestellt.

Die Arbeitnehmergruppe der Unions-Bundestagsfraktion lehnte die von der SPD vorgeschlagenen Steuererhöhungen ab. "Wir brauchen jetzt keine weitere Diskussion über Steuererhöhungen", sagte der Vorsitzende der Gruppe, Gerald Weiß (CDU). Die geplante Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte sei deutlich genug.

Zur Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer stellte Finanzminister Steinbrück klar, dass es bei der Anhebung von 16 auf 19 Prozent von 2007 an bleibe. Die Haushalte von Bund und Ländern bräuchten eine "nachhaltige Verbesserung auf der Einnahmenseite".

© SZ vom 25.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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