Debatte über Klars Gnadengesuch:Merkel ruft Union zur Ordnung

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Kanzlerin Merkel hat sich mit einem Machtwort in die hitzige Debatte über das Gnadengesuch des früheren RAF-Terroristen Klar eingemischt. In Richtung Stoiber, Beckstein, Kauder und Söder sagte sie: Sie habe "keinen Zweifel, dass der Präsident diese schwierige und umstrittene Frage nach sorgfältiger Prüfung mit großer Gewissenhaftigkeit treffen wird".

"Der Respekt vor dem Amt und der Person des Bundespräsidenten muss jederzeit gewahrt bleiben", sagte CDU-Chefin Angela Merkel am Sonntag mit Blick auf teils heftige Kritik an Bundespräsident Horst Köhler, der sich am Freitag mit Klar getroffen hatte. "Das Grundgesetz billigt ausschließlich dem Bundespräsidenten das Gnadenrecht zu. Ich habe keinen Zweifel, dass der Bundespräsident diese schwierige und umstrittene Frage nach sorgfältiger Prüfung mit großer Gewissenhaftigkeit treffen wird." Merkel forderte dazu auf, "dass wir alle - gleichgültig, wie der Bundespräsident am Ende entscheiden wird - das Votum von Horst Köhler respektieren."

Merkel sagte weiter: "Die Entscheidung des Bundespräsidenten ist endgültig. Ich fordere dazu auf, dass wir alle, gleichgültig wie der Bundespräsident am Ende entscheiden wird, das Votum von Horst Köhler respektieren."

Zuvor hatte bereits Bundestagspräsident Norbert Lammert den Streit scharf kritisiert. In einer am Sonntag in Berlin veröffentlichten Pressemitteilung forderte der CDU-Politiker Lammert "zu mehr Respekt vor dem Amt, der Kompetenz und dem Urteilsvermögen des Bundespräsidenten" auf.

Lammert schrieb den Köhler-Kritikern ins Stammbuch, es sei "absurd anzunehmen, dass ausgerechnet das Staatsoberhaupt, dem im Bund nach unserer Verfassung aus guten Gründen ganz allein das Recht zur Begnadigung verurteilter Straftäter zusteht, diesen konkreten und besonders schwerwiegenden Fall nicht genauso ernst nimmt, wie es die Sache erfordert". Der Bundestagspräsident fuhr fort: "Und schon gar nicht sind Zweifel an der gebotenen Sorgfalt seiner alleinigen Entscheidung angebracht."

"Die mehr oder weniger offenen Drohungen insbesondere aus der CSU, man werde Köhler die Wiederwahl versagen, wenn er Klar begnadigt, sind Nötigung eines Verfassungsorgans", sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck der Netzeitung. Damit unterstellten die Christsozialen Köhler indirekt, "er würde sich für so kleine Münze seine präsidiale Unabhängigkeit abkaufen lassen".

Beck unterstützte das Vorgehen Köhlers im Fall Klar ausdrücklich. "Dass Köhler sich ein eigenes Bild von der Person Klar gemacht hat, zeigt nur, dass er eine eigene und unabhängige Entscheidung zu treffen gedenkt und dass er sich die Entscheidung nicht einfach macht", sagte er und fügte hinzu: "Egal wie die Entscheidung ausfällt und ob man sie selbst genauso getroffen hätte, verdient sie Respekt."

Wiedervereint: Stoiber, Beckstein und Söder

Laut einem Bericht des Spiegel hatte CSU-Generalsekretär Markus Söder vergangene Woche während einer Klausur der CSU-Landtagsfraktion eine Begnadigung als "schwere Hypothek" für eine Wiederwahl des Bundespräsidenten bezeichnet. Köhler hatte Klar am Freitag getroffen. Am Samstag sagte sein Sprecher, der Bundespräsident wolle seine Entscheidung über das Gnadengesuch Klars in der kommenden Woche bekannt geben.

Inzwischen meldete sich auch Söders Chef, der CSU-Vorsitzende und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, zu Wort - und kritisierte Köhlers Treffen mit Klar. Dies komme bei vielen Bürgern so an, als wende der Staat für Schwerstverbrecher und Feinde der deutschen Demokratie mehr Fürsorge auf als für die Kleinen, sagte Stoiber der Zeitung Welt am Sonntag.

Der CSU-Politiker sprach sich gegen eine Begnadigung Klars in der kommenden Woche aus. "Ich bin sehr skeptisch, ob hier wirklich die Voraussetzungen für Gnade vor Recht gegeben sind." Klar scheine jegliches Zeichen von Reue zu fehlen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein äußerte sich ebenfalls zweifelnd. Es würde "von dem großen Umfeld, das ich so kenne, als völlig unverständlich angesehen, wenn Klar jetzt begnadigt würde, wo so vieles noch nicht aufgeklärt ist", sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag.

Beckstein sagte indes auch, die von CSU-Generalsekretär Markus Söder angesprochene Frage der Wiederwahl Köhlers stehe nicht an.

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle sagte: "Ich bin strikt gegen die Begnadigung des Serienmörders Christian Klar, der bis heute keine Reue zeigt und zu seinen Taten schweigt", kritisierte er in der Bild.

Nach Recherchen des Tagesspiegels am Sonntag sind 35 RAF-Verbrechen nicht oder nur teilweise aufgeklärt worden. Mehrere Länder-Innenminister forderten im Gespräch mit der Zeitung weitere Ermittlungen in diesen Fällen. So sagte Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU): "Es lohnt sich, über einen neuen Ansatz zur Aufklärung der Verbrechen nachzudenken." Dazu zähle auch eine Sonderkommission unter Einbindung der Bundesanwaltschaft.

Der 54 Jahre alte Klar sitzt seit November 1982 ununterbrochen im Gefängnis. Er wurde unter anderem wegen Beteiligung an der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dem Bankier Jürgen Ponto zu fünf Mal lebenslang verurteilt.

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