Debatte:"Mit ungleichen Lebensverhältnissen abfinden"

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Bundespräsident Horst Köhler stößt mit seinem Einwand, gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West seien wohl nicht mehr realistisch, auf Kritik aus den neuen Bundesländern. Über Parteigrenzen hinweg reagierten ostdeutsche Politiker ablehnend.

Sowohl der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) als auch dessen sachsen-anhaltischer Kollege Wolfgang Böhmer (CDU) widersprachen Köhler entschieden.

Köhler hatte im Magazin Focus erklärt, dass man sich mit den unterschiedlichen Lebensverhältnissen innerhalb Deutschlands von Nord nach Süd wie von West nach Ost abfinden müsse.

Wer diese Unterschiede einebnen wolle, zementiere den Subventionsstaat und lege der jungen Generation eine untragbare Schuldenlast auf. "Wir müssen wegkommen vom Subventionsstaat", sagte der Bundespräsident.

Platzeck räumte in der Bild am Sonntag zwar ein, dass regionale Unterschiede in Deutschland zur Lebenswirklichkeit gehörten, es aber immer um das Maß gehe. "Ich kann nicht damit einverstanden sein, dass die Schere bei der Arbeitslosigkeit von fünf auf 25 Prozent aufgehen kann. Das darf damit nicht gemeint sein", sagte der SPD-Politiker.

Ähnlich äußerte sich Böhmer in dem Blatt: "Gleiche Lebensverhältnisse hat es in Deutschland nie gegeben und wird es auch nicht geben können. Aber gleichartige Lebensverhältnisse, wie sie auch das Grundgesetz vorsieht, streben wir weiter an", sagte der CDU-Politiker.

Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie sagte: "Das ist eine hoch gefährliche Debatte, die der Bundespräsident anzettelt. Köhler verstärkt damit in den alten Bundesländern die Stimmung, dass der Osten bereits genug bekommen habe."

FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper warnte davor, "eine Spaltung herbeizureden".

Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky verlangte: "Horst Köhler darf die Ostdeutschen 15 Jahre nach der Wende nicht im Regen stehen lassen."

Mehr Flexibilität

Köhler forderte außerdem die Bürger Ostdeutschlands zu mehr Flexibilität bei der Suche nach einem Arbeitsplatz auf. Wer in seiner Heimat keinen Arbeitsplatz finden könne, müsse selbst entscheiden, ob er wegziehe oder dem Leben in der unmittelbaren Heimat den Vorzug vor der Verwirklichung der beruflichen Ziele gebe, sagte der Bundespräsident.

Zugleich müssten die Menschen in den neuen Ländern aber auch mehr Freiraum erhalten. Köhler forderte neben weiteren Reformen den Abbau bürokratischer Vorschriften speziell in den neuen Ländern.

Die Menschen im Osten bräuchten mehr Spielraum für ihre Ideen. Ganz Deutschland brauche die Menschen im Osten "für die Gestaltung einer guten Zukunft", wird Köhler zitiert.

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