Debatte im Bundestag:Abgeordnete ringen um Organspende-Gesetz

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Anhänger von Widerspruchs- und Zustimmungslösung liefern sich eine hitzige Debatte. Der Bundestag entscheidet wohl im Herbst.

Von Michaela Schwinn, München

Der Bundestag hat am Mittwoch erstmals über zwei Gesetzentwürfe diskutiert, um die Organspende in Deutschland neu zu regeln. Gemeinsam haben die beiden Vorschläge, dass die Zahl der potenziellen Spender erhöht werden soll, bei der Umsetzung dieses Ziels unterscheiden sie sich aber sehr. Die Abgeordneten äußerten sich unabhängig von ihren jeweiligen Fraktionen und argumentierten teils leidenschaftlich für die Widerspruchs- oder die Zustimmungslösung.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die Freiheit eines Kranken, der mehrmals in der Woche zur Dialyse müsse, sei "deutlich mehr einschränkt, als die Freiheit eingeschränkt wäre, wenn wir verpflichten, sich zu entscheiden". Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach betonte die Pflicht, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Da die Mehrheit der Bürger bereit sei, ein Organ zu spenden, handele es sich um die richtige Lösung. Beide Politiker warben für die doppelte Widerspruchslösung, wonach jeder zum Spender wird, der sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat.

Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock, die mit anderen Abgeordneten einen entgegengesetzten Entwurf eingebracht hat, wandte sich gegen diesen Ansatz. In einer so höchstpersönlichen Frage müsse man die Situation jedes einzelnen Menschen im Blick haben. In der Verfassung sei aus guten Gründen das Recht auf die Unversehrtheit des eigenen Körpers verankert, sagte sie. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, unterstrich, dass die Organspende weder vom Staat erzwungen noch von der Gesellschaft erwartet werden könne. Die Gruppe um Baerbock und die Linke-Chefin Katja Kipping schlägt vor, dass alle Bürger mindestens alle zehn Jahre beim Abholen ihrer Personalausweise auf das Thema Organspende angesprochen werden.

Die beiden Anträge haben jeweils Unterstützer in mehreren Parteien. Während in der ersten Orientierungsdebatte im Bundestag im November die zweifelnden Stimmen überwogen, hat die Gruppe um Spahn im Vorfeld der ersten Lesung etwas mehr Unterstützer gesammelt als der Entwurf von Baerbock. Abgeordnete hatten bis Dienstag Zeit, einen der Entwürfe zu unterzeichnen. Spahn sammelte 222 Unterschriften, Baerbock 191. Die AfD hatte kurzfristig vor der Beratung einen weiteren Antrag ins Parlament eingebracht. Er enthält keine grundsätzliche Neuregelung, schlägt aber Änderungen im Transplantationsgesetz vor, die unter anderem die Aufklärung von Patienten und Klarstellungen zum Verhältnis von Patientenverfügung und Organspende betreffen.

Wenn sich alle 91 AfD-Mitglieder im Bundestag diesem Vorschlag anschließen, blieben noch 205 Abgeordnete, die sich noch nicht für einen der beiden anderen Vorschläge entschieden haben. Die Parlamentarier werden voraussichtlich im Herbst ohne die ansonsten übliche Fraktionsdisziplin über die beiden Gesetzentwürfe abstimmen.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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