DDR-Staatssicherheit:Akten zu Akten

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Ein großer Einschnitt steht bevor: Die Stasi-Unterlagen-Behörde wird ins Bundesarchiv eingegliedert. Dort sollen die bisherigen Aufgaben weitergeführt werden. Das Recht auf persönliche Akteneinsicht bleibt bestehen.

Von Robert Probst/dpa, epd, Berlin

Es wird ein großer Einschnitt sein. Im Jahr 30 nach dem Mauerfall steht die Stasi-Unterlagenbehörde vor einem grundlegenden Umbau. Damit die Hinterlassenschaften des DDR-Staatssicherheitsdienstes dauerhaft gesichert werden können, soll die 1990 gegründete Behörde in das Bundesarchiv eingegliedert werden. Dies kündigte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, bei der Vorstellung seines 14. Tätigkeitsberichts an. Über die Umsetzung dieses lange Zeit heftig umstrittenen Schritts will der Bundestag in dieser Legislaturperiode entscheiden. Der frühere DDR-Oppositionelle Jahn sagte: "Den Bundesbeauftragten wird es so nicht mehr geben."

Das Konzept sieht vor, unter dem Dach des Bundesarchivs künftig einen eigenen Bereich unter einer herausgehobenen Leitung mit der Bezeichnung "Stasi-Unterlagen-Archiv" einzurichten. Dort sollen die speziellen Aufgaben der heutigen Stasi-Unterlagenbehörde weitergeführt werden. Das Recht auf persönliche Akteneinsicht bleibe bestehen, betonte Jahn. Auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg wird ein Archivzentrum zur SED-Diktatur eingerichtet, in dem neben den Stasi-Unterlagen auch die Bestände der zentralen DDR-Behörden, das Archiv der SED sowie der Massenorganisationen der DDR und die Bibliothek der Stiftung Partei- und Massenorganisationen der DDR untergebracht werden. Zudem wird das Archivzentrum Restaurierungs- und Digitalisierungswerkstätten umfassen. Die bislang zwölf Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde in den ostdeutschen Ländern werden auf einen Archivstandort pro Bundesland reduziert. Dort sollen die Akten archivgerecht gelagert werden. Dafür würden pro neuem Archivgebäude Kosten von 10 bis 20 Millionen Euro veranschlagt, sagte der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann. An den anderen Standorten sollen aber weiterhin Information, Beratung, Antragstellung und Akteneinsicht angeboten werden.

Unterlagen eines Unrechtsstaats: Die Bestände der ehemaligen Staatssicherheit. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

Bürgerrechtler hatten 1990 die massenhafte Vernichtung von Stasi-Akten gestoppt und so den Grundstein für die Stasi-Unterlagen-Behörde gelegt. Seither sind 7,2 Millionen Ersuchen und Anträge in der Behörde eingegangen, darunter 3,3 Millionen Anträge von Bürgern. Im Jahr 2018 haben 45 309 Bürger einen Antrag gestellt.

Jahn sprach von einer wichtigen Weichenstellung, um das Stasi-Unterlagen-Archiv "fit für die Zukunft zu machen". Durch die Bündelung der Ressourcen unter dem Dach des Bundesarchivs würden die langfristige Sicherung der Akten gewährleistet und die Nutzungsmöglichkeiten durch die Digitalisierung erweitert. Die mehr als 1400 Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sollen komplett übernommen werden. "Wir können auf die Kompetenz von niemandem verzichten", sagte Hollmann. Archive seien immer Zuwachsbetriebe, und für die Stasi-Akten gelte ein besonderer rechtlicher Rahmen, der ein bestimmtes Personalangebot erfordere. Ob ein Opferbeauftragter bei der Bundesregierung für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur etabliert wird, blieb offen.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte, mit dem Konzept werde das Erbe der friedlichen Revolution dauerhaft bewahrt. Die Überführung der Stasi-Unterlagen in das Bundesarchiv werde den Erhalt, die wissenschaftliche Erschließung und die Nutzung der einzigartigen Dokumente gerade auch für die Opfer der Stasi und deren Angehörige verbessern. Ein ähnliches Papier hatte eine Expertenkommission Ende 2015 erarbeitet. Die Pläne, die eine Stiftung vorsahen, wurden nach heftiger Diskussion aber letztlich nicht weiter verfolgt. Opferverbände hatten eine Abwicklung der Behörde befürchtet. Jahn und Hollmann wurden vom Bundestag beauftragt, eine neue Strategie zu erarbeiten.

Ehemalige DDR-Bürgerrechtler kritisierten am Mittwoch die Ausdünnung der Außenstellen der Stasi-Unterlagenbehörde als falsches Signal. Angesichts der in Ostdeutschland besonders verbreiteten Demokratieverdrossenheit brauche es nicht weniger regionale politische Bildung und Aufarbeitung, sondern deutlich mehr, erklärte das Berliner Bürgerkomitee 15. Januar.

Das Konzept soll nun in den nächsten Monaten in den Facharbeitsgruppen der unterschiedlichen Bundestagsfraktionen und innerhalb der Regierungskoalition beraten werden. Und Jahns eigene Zukunft? Auf eine entsprechende Frage sagte er: "Meine Amtszeit geht bis zum Juni 2021. Danach mache ich eine Weltreise und lasse es mir gut gehen."

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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