Datenspeicherung:Spuren im Staatsgedächtnis

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BKA-Präsident Holger Münch. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

BKA-Chef Holger Münch widerspricht Vorwürfen von SPD, Grünen und Linken: Daten Unbescholtener würden im BKA nicht massenhaft gespeichert.

Von Stefan Braun, Berlin

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat sich gegen die Kritik verteidigt, es speichere massenhaft und ungerechtfertigt Daten unschuldiger Bürger. Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Berlin sagte BKA-Präsident Holger Münch, diesen Vorwurf müsse er entschieden zurückweisen. Vorausgegangen waren scharfe Angriffe vor allem von Linken, Grünen und Sozialdemokraten, nachdem bekannt geworden war, dass dem BKA beim Entzug von Journalisten-Akkreditierungen während des G-20-Gipfels datenbezogene Fehler unterlaufen waren. Bei der Überprüfung der Fälle war öffentlich geworden, dass das BKA in der Datei über politische Extremisten Daten von mehr als 100 000 Menschen gespeichert hat, darunter auch Informationen, die längst hätten gelöscht werden müssen.

Münch betonte nun, das BKA habe vor allem eine zentrale Rolle bei der Speicherung der Daten - die Daten selbst aber seien zu einem sehr großen Teil von verschiedensten Länderbehörden eingespeist worden. Nach dem derzeitigen Recht obliege dies den Ländern, und das gelte auch für die Aufgabe, entsprechende Eintragungen über Personen wieder zu löschen, wenn Verfahren gegen sie eingestellt oder sie umfassend freigesprochen worden sind. Letzteres ist offensichtlich mehrfach nicht geschehen, auch bei einem von mindestens vier Journalisten, denen während des G-20-Gipfels die Akkreditierung entzogen worden war.

Münch bedauerte ausdrücklich, dass es zu diesen Fehlern gekommen ist. Zugleich war er sehr darum bemüht, deutlich zu machen, dass die Fehler eng mit der zum Teil mangelhaften Kommunikation zwischen den Länderbehörden und dem BKA zu tun habe.

Beim Auftritt des Präsidenten wurde deutlich, dass es in Fällen, in denen alte Vergehen oder vermeintliche Vergehen für eine Gefahrenprognose herangezogen werden, eigentlich strenge Regeln für die Speicherdauer gibt. Münch betonte, bei geringen Vergehen wie Beleidigungen maximal ein Jahr, bei mittleren Vergehen wie Einbruch fünf und bei schweren Straftaten wie schwerer Körperverletzung mindestens zehn Jahre. Zugleich aber räumte er ein, dass es bei der Einschätzung potenzieller Gefährder im Rahmen des politschen Extremismus immer wieder Folge-Speicherungen gebe, zum Beispiel bei neuen Tatbeständen oder Verdächtigungen. Offenkundig hat es genau dabei in Hamburg auch Fehler gegeben. Das zeigen einige Fälle derer, denen in Hamburg die Akkreditierung entzogen worden war.

Als großes Problem bezeichnete Münch den teilweise mangelhaften Informationsfluss in Fällen, in denen Daten in der Datei verbleiben, obwohl das Verfahren eingestellt oder ein Gericht die Beklagten freigesprochen hat. Immer wieder gebe es Lücken im Austausch. Zuletzt hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière beklagt, dass noch immer kein automatisierter Datenaustausch existiere, weil das Bundesjustizministerium bremse.

Hinzu kommt allerdings ein weiteres Problem. Selbst wenn die Ermittlungen eingestellt werden, können Polizeibehörden die Daten weiter speichern, weil nicht jedes Ende einer Ermittlung und nicht jeder Freispruch automatisch alle Verdachtsmomente ausräumt. Auch das bestätigte Münch auf Nachfrage. So gelten Freisprüche aus Mangel an Beweisen nur als Freisprüche dritter Klasse, bei denen der Verdacht auf eine extremistische Gesinnung bestehen bleiben kann. Hier greift, anders als bei der Strafverfolgung, keine Unschuldsvermutung. Entscheidend ist die Gefahrenprognose für die Zukunft. Allerdings sind alle Polizeien nach einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts gezwungen, sogenannte Negativprognosen in jedem Einzelfall detailliert zu begründen. Ob das immer geschehen ist, daran bleiben derzeit Zweifel bestehen.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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