Das Kosovo vor der Unabhängigkeit:Die letzte Schlacht auf dem Amselfeld

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Der Kosovo will bereits am Sonntag seine Unabhängigkeit von Serbien erklären. Doch Belgrad droht mit der Abkehr von der europäischen Integration.

Enver Robelli

Der Ansturm aus Europa hat schon begonnen. Die Passagiere, die in diesen Tagen auf dem Flughafen von Pristina landen, sind mehrheitlich Gastarbeiter aus der Schweiz und Deutschland. Es hat sich herumgesprochen, dass der Kosovo bereits am kommenden Sonntag seine Unabhängigkeit erklären wird.

In den Zeitungen wird ausführlich über die bevorstehende Entscheidung berichtet. Demnach soll das Übergangsparlament eine Unabhängigkeitserklärung verabschieden, die noch formuliert wird. Vertreter der Regierung in Pristina versichern, alles sei bereit. Das Dokument enthält auch eine Einladung an die EU, eine Mission zur Überwachung der Unabhängigkeit in den Kosovo zu entsenden.

Für die Flagge des neuen und völkerrechtlich umstrittenen Staates liegen drei Vorschläge vor, die offenbar von der Farbe Blau dominiert werden. Laut dem Unabhängigkeitsplan des UN-Vermittlers Martti Ahtisaari müssen die Symbole "den multiethnischen Charakter" des Kosovo widerspiegeln. Dennoch dürfte auch in Zukunft weder der doppelköpfige schwarze Adler der Albaner noch der doppelköpfige weiße Adler der Serben verschwinden. Beide Bevölkerungsgruppen betrachten sie als Nationalsymbole.

Eine Hymne für den Kosovo soll später folgen. Geplant ist, zunächst die Europa-Hymne zu nutzen, Beethovens Ode an die Freude. Die kosovarische Philharmonie übt seit Wochen, am Sonntag soll die Melodie bei einem Festakt gespielt werden. Für die Feierlichkeiten hat die Regierung eine Million Euro zugesagt.

Die kosovo-albanischen Politiker hoffen, dass die EU-Außenminister bereits am Montag die Unabhängigkeitserklärung "zur Kenntnis nehmen" werden und die Entsendung der Rechtsstaatsmission Eulex beschließen. Danach bleibt es den einzelnen Staaten vorbehalten, den neuen Balkanstaat anzuerkennen.

Dies könnte laut Informationen der in Pristina erscheinende Tageszeitung Koha ditore bis zum 10. März geschehen. Das Parlament muss die neue Verfassung verabschieden und jene Gesetze vorbereiten, die zum Schutz der Minderheiten vorgesehen sind.

Nach Angaben des kosovarischen Ministerpräsidenten Hashim Thaci werden etwa 100 Staaten die Unabhängigkeit der südserbischen Provinz unmittelbar nach deren Verkündung anerkennen. Der ehemalige Chef der Rebellenarmee UCK hat in den vergangenen Tagen serbische Familien besucht und sie aufgefordert, ihre Heimat nicht zu verlassen.

Die für internationale Medien inszenierten Auftritte sollen den Eindruck erwecken, dass die kosovarische Regierung entschlossen sei, die Sicherheit aller Menschen in der Provinz zu gewährleisten.

Das Szenario für die Unabhängigkeitserklärung am 17. Februar wurde von amerikanischen und europäischen Diplomaten entwickelt. Am Sonntag tagt der UN-Sicherheitsrat nicht. So will man verhindern, dass die Vetomacht Russland eine Dringlichkeitssitzung einberuft, um die Entscheidung im Kosovo zu verurteilen. Und gleichzeitig soll gemäß dem Szenario den Europäern die Möglichkeit gegeben werden, im Kosovo vollendete Tatsachen zu schaffen.

Am Montagabend einigten sich die serbischen Spitzenpolitiker auf ein einheitliches Vorgehen in der Kosovo-Frage. Der gemäßigte Präsident Boris Tadic und der nationalkonservative Regierungschef Vojislav Kostunica beendeten damit ein tagelanges Tauziehen.

Serbien werde eine Unabhängigkeit des Kosovo für nichtig erklären und eine "einheitliche nationale" Politik in dieser Sache führen, heißt es in der Verlautbarung nach dem Treffen von Tadic, Kostunica und Parlamentspräsident Oliver Dulic. Tadic hat für Dienstag eine Sitzung des Nationalen Verteidigungsrates und Kostunica für Donnerstag eine Regierungssitzung angekündigt.

Tadic hatte angekündigt, dass sein Land jene Staaten vor internationalen Gerichten verklagen wird, die eine Unabhängigkeit anerkennen. Kostunica hatte sogar eine Abkehr Serbiens von der europäischen Integration gefordert, falls die EU eine "illegale Mission" in den Kosovo entsendet, die den neuen Staat überwachen soll.

Aus Protest gegen die geplante Rolle Brüssels im Kosovo hat Kostunica ein Abkommen, das Serbien näher an die EU führen soll, blockiert. Die Mehrheit der Minister seiner Regierung, die der westorientierten Demokratischen Partei von Tadic angehören, waren jedoch nicht bereit, die europäische Perspektive des Landes zu opfern und sie mit dem Schicksal des Kosovo zu verknüpfen.

Kostunica hatte eine Debatte im Parlament über die Übereinkunft mit der EU verlangt. Dort könnte sich seine Demokratische Partei mit der oppositionellen Radikalen Partei verbünden und das Abkommen ablehnen.

© SZ vom 12.02.2008/sekr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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