D-Day:Letzte Gelegenheit zum großen Gedenken

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Mit Würde und unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen erinnert die Normandie an den D-Day.

Von Gerd Kröncke

Irgendwo müssen doch all die Flaggen herkommen, die dieser Tage selbst in der kleinsten Gemeinde im Winde knattern oder schlapp herabhängen, wenn es regnet. Der Geschäftszweig hat jedenfalls Konjunktur. Die meisten Fahnen sind aus Bayeux, Wendom heißt der Laden an der Rue Saint-Martin.

Die einstige Chefin hatte das Fahnengeschäft schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zu bescheidener Blüte gebracht, Thierry Grenier gehört zur Enkelgeneration.

Nach den Erfahrungen des 40. und des 50. Jahrestags der Landung in der Normandie hatte er diesmal vorgesorgt. Am besten verkaufte sich die Trikolore, gefolgt von Union Jack und Stars and Stripes. Arme Gemeinden der Region, denen viele Flaggen zu teuer sind, begnügen sich neben der französischen mit Europas Sternen.

Irgendwie feiert jede Gemeinde ihren eigenen D-Day, auch abseits der großen Zeremonie am Meeresufer von Arromanches. Für ein paar Stunden wird das 563-Seelen-Dorf die globale Hauptstadt sein, besser geschützt als irgendein Platz auf der Welt. 400 000 Besucher kommen ansonsten im Jahr hierher, in diesem werden es Hunderttausende mehr sein.

Veteranen als Stammgäste

"Unsere 28 Zimmer sind seit langem schon ausgebucht", sagt der Hotelwirt vom "La Marine"; 4000 Anfragen habe er in den letzten Monaten absagen müssen. Sein Kollege vom "Hotel Normandie" gegenüber legt Wert darauf, dass er den Veteranen, die seit jeher am Jahrestag seine Stammgäste sind, keinen Zuschlag abverlangen wird.

Ein anderer hat sein Haus über die Gedenktage für 3000 Euro vermietet, was den Bürgermeister enorm verärgert hat. Auf jeden Fall ist in diesen Tagen kein Zimmer in keiner Herberge mehr frei.

Wie stets gibt es auch den Andenkenschund, Briefbeschwerer und Biergläser, T-Shirts. Besonders beliebt ist eine kleine Nachbildung der Kirche von Sainte-Mère-Eglise, an deren Glockenturm ein amerikanischer Fallschirmjäger hängen blieb und sich für Stunden tot stellen musste.

So wie hier bedeutet dieses Jahr für die ganze D-Day-Küste von Utah- über Omaha- bis Sword- Beach noch einmal das große Geschäft. Trotzdem geht es ruhig zu, auch dort, wo die ansonsten eher lärmenden britischen Touristen unterwegs sind. Deutsche sind ohnehin in der Minderheit.

Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac heftet zum 60. Jahrestag ausgesuchten Veteranen Orden an die Brust. Der Bürgermeister von Percy, weiter im Landesinneren, hat Gedenkmedaillen prägen lassen, 200 Stück, die den Kilometerstein am Dorfausgang darstellen.

"Weg der Freiheit, 1944 - 2004" steht darauf. Sie sollen Veteranen verliehen werden, die das Dorf damals befreit und nun den Weg zurückgefunden haben. Die Zeit bringt es mit sich, dass dies die letzte Gelegenheit für solche Zeremonien ist. In zehn Jahren werden viele Kämpfer ihren letzten Kampf verloren haben.

"Die Einwohner sind voller Enthusiasmus"

Die Bürgermeister mögen die Gedenkfeiern wohl genießen, und "die Einwohner sind voller Enthusiasmus", sagt Patrick Jardin von der Stadtverwaltung in Arromanches. Aber für Touristen, die mit dem Auto unterwegs sind, wird das Gedenkwochenende ein schwieriges.

Die Einheimischen haben Passierscheine erhalten, damit sie sich zumindest halbwegs ungehindert bewegen können. Niemals seit dem Krieg hat die Gegend so viele Uniformierte gesehen. Zu den normalen Dorfpolizisten sind 3300 Polizisten aus dem ganzen Land zusammengezogen worden, dazu 6000 Gendarmen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, und 8000 Soldaten.

Exponierte Punkte wie der Küstenabschnitt bei Arromanches sind seit Tagen gesperrt. In der Luft kreisen Hubschrauber, weit höher noch ziehen Mirage-Jäger und Awacs-Aufklärungsflugzeuge ihre Bahnen. Die französische Armee hat Boden-Luft-Raketen in Stellung gebracht.

Am Sonntagmittag, Punkt zwölf, noch bevor die zahlreichen Gedenkfeiern ihren Höhepunkt in Arromanches erreichen, sollen die tausend Glocken der Normandie läuten. Das hat der Präfekt zu Ehren der Befreier angeordnet.

Das schönste Glockenspiel weit und breit ist das von Sainte-Trinité in Falaise. Wochenlang haben Zimmerleute, Elektriker und Computerfachleute die zwölf elektronisch gesteuerten Glocken aufeinander abgestimmt und eine Reihe von Melodien programmiert. Kirchliches und Weltliches und auch eine Weise, die Einheimische und Besucher gleichermaßen rühren soll: ¸"J"irai revoir ma Normandie - Meine Normandie, ich werd" dich wiedersehen."

© SZ vom 4.Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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