CSU-Rebellin Pauli:Was Frau Doktor rät

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Gabriele Pauli, die als "schöne Landrätin" bekannt wurde, schrieb ihre Doktorarbeit über die PR der CSU. Edmund Stoiber wäre einiger Ärger erspart geblieben, hätte er das Werk gelesen - und beherzigt.

Oliver Das Gupta

Wer Gabriele Pauli in ihrem Büro anrufen will, registriert sofort, dass die Dame großen Wert auf ihren akademischen Titel legt: "Frau Dr. Pauli" nennen die Mitarbeiter des Fürther Landratsamtes ihre Chefin, es klingt fast ein bisschen ehrfürchtig. Auch in der Staatskanzlei heißt es immer: "Ministerpräsident Doktor Edmund Stoiber". Zumindest eines haben die Kontrahenten also gemein.

Mitte der Achtziger Jahre schrieb die heutige Stoiber-Opponentin ihre Doktorarbeit über das, was sie seit Wochen meisterhaft beherrscht: Polit-PR.

Es lag nahe dass die damals 29-jährige Pauli die CSU untersuchte, schließlich standen ihr dort viele Türen offen. In ihrer Arbeit schrieb die junge Politologin freilich etwas anderes: Sie habe sich für die CSU als Forschungsobjekt entschieden, weil die Partei "ihren politischen Erfolg neben aller Zuweisung von Sachkompetenz auch einer geschickten PR-Strategie verdankt."

Zum akademischen Glanzstück geriet Pauli 342 Seiten starkes Werk "Polit-PR: strategische Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien - PR-Praxis der Christlich Sozialen Union" wahrlich nicht.

Nur ein Schwergewicht befragt

Trotzdem birgt es einige Schmankerl des barocken Machtverständnisses von Franz Josef Strauss - und auch der weitaus weniger sinnesfreudige Edmund Stoiber hätte aus dem Opus Pauli einiges lernen können.

Schon das Inhaltsverzeichnis liest sich stellenweise wie eine Anleitung zum Spiel um die Medienmacht: Pauli analysierte die "Transmissionsriemenfunktion der Parteibasis", ebenso "gezielte Themensteuerung", das "Aufdecken der Schwächen des politischen Gegners" und die "Koordination des politischen Angriffs".

Für ihre Arbeit befragte die nachmalige Landrätin, die damals verheiratet war und darum Pauli-Balleis hieß, mehrere CSU-Funktionäre der mittleren Partei-Ebene. Als einziges Schwergewicht interviewte sie den Strauß-Vertrauten und damaligen Bayernkurier-Lenker Scharnagl, dem sie in der Arbeit mal den Vornamen Wilfried (richtig) und mal Winfried verpasste.

Den ehemaligen obersten PR-Mann der Partei, den seinerzeit "blondes Fallbeil" genannten Generalsekretär Edmund Stoiber, sprach Gabriele Pauli damals nicht. In der Dissertation ist er dennoch an mehreren Stellen erwähnt.

"Stoiber ist weitaus aggressiver"

Einmal zitierte sie einen CSU-Funktionär, der das Verhalten des Generalsekretärs Stoiber mit dem seines Nachfolgers Tandler verglich. Fazit: Stoiber sei "weitaus aggressiver".

Die kokette Jungkonservative ging bei ihrer Analyse recht unkritisch vor, bei den Interviews zeigte sie wenig Biss. Das, was sie in ihrer Arbeit von den Gesprächspartnern berichtet, ist durchweg harmlos.

Mal plauderten die christsozialen PR-Profis über den Allgemeinplatz, dass man ein Thema durch "provokante Aufmachung" eher in der Presse platzieren kann.

An einer anderen Stelle kolportiert die Verfasserin, dass die CSU-Landesleitung "verschiedene Methoden entwickelt" habe, ein Thema innerhalb der Massenmedien zu "forcieren". Was für Kniffe damit gemeint waren, blieb unerklärt und vermutlich auch ungefragt.

Trotzdem birgt die Pauli-Arbeit Glanzlichter. So steckten die Funktionäre aus der CSU-Zentrale der jungen Fränkin nebenbei, dass der Partei "die Adressen sämtlicher Redakteurinnen der Bundesrepublik" vorlägen. Schließlich wollte man die Journalistinnen "gezielt ansprechen." Die Chauvi-Kartei der Männer-Partei.

Wie sehr die Strauß-Schranzen den Freistaat als Parteibesitz ansahen, wird an anderen Passagen deutlich: Unter dem Kapitel "Medienbeobachtung" der CSU ist die "Aufzeichnungen und Archivierung aller Fernsehsendungen in der Staatskanzlei" vermerkt.

Unverblümt räumt ein CSU-Mann außerdem ein, dass es erklärtes Ziel sei, "die Identität zwischen CSU, Staatsregierung und der Bevölkerung Bayerns herzustellen". Das habe freilich mit dem Begriff "'Staatspartei' nichts zu tun!", schob man eilig nach.

Für Edmund Stoiber, dem das Strauß'sche Machtverständnis wohl vertraut ist, hätte es sich noch aus einem anderen Grund gelohnt, Paulis Werk eingehend zu studieren. Es wäre ihm womöglich einiger Ärger erspart geblieben.

Denn schon bei Pauli steht: "Die Akzeptanz der Parteiführung kann wesentlich abhängen von Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit der Parteispitze gemacht wurden" - das passt auf den dramatischen Ansehensverlust, den Stoiber nach seinem Verzicht auf ein Bundesministeramt CSU-intern erlitten hat.

Pauli lieferte in ihrer Arbeit aber auch Lösungsvorschläge: "Je schlechter das parteiinterne Image des Parteivorsitzenden ist, desto notwendiger wird der direkte Kontakt zu den Mitgliedern." Die Führung müsse in solch einem Fall "rasch handeln" - für den ewigen Zauderer Stoiber eine grausige Vorstellung.

Gabriele Pauli aber beherzigt 2007 nur, was Gabriele Pauli 1987 schrieb. "Vertrauen" in die politische Führung - namentlich den Parteichef - sei mit das Allerwichtigste. Denn: Ein großes Vertrauenspotential sei "maßgeblich, um besonders krisenhafte Situationen durchzustehen, ohne das Parteigefüge zu zerrütten".

Die Frau, die in der deutschen Presse zur "schönen Landrätin" wurde, stützt sich heute also auf ihre eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, wenn sie stetig wiederholt, dass das Vertrauen in den Parteichef futsch und die Partei dadurch bei der Landtagswahl 2008 gefährdet sei. Dem Vertrauensschwund in die CSU müsse man entgegenwirken - am Besten ohne Stoiber.

Vertrauen ist der Anfang von allem

Der hätte natürlich auch Niklas Luhmann folgen können, den Pauli ausführlich zitiert. Der berühmte Soziologe wetterte 1964 gegen "informale Kommunikation", unter die auch der Spitzel-Anruf von Stoibers Büroleiter bei einem Pauli-Bekannten fällt.

Solche Mitteilungen könnten "dysfunktionale Auswirkungen auf die Parteiorganisation haben.", schrieb Luhmann, denn: "Sie bedürfen zusätzlicher Information und sind dadurch persönlichen Interessen und Gefühlen ausgeliefert."

Die Wissenschaftlerin Pauli-Balleis räumte 1987 dem Begriff "Vertrauen" in die politische Führung - namentlich den Parteichef - höchste Priorität ein.

Zwanzig Jahre später ist es die Politikerin Pauli, die genau auf diesen Punkt zielt, um ihren Kontrahenten in der Staatskanzlei das Wasser abzugraben. Stetig wiederholt sie, dass das Vertrauen in den Parteichef schwinde, dass die CSU wieder glaubwürdig werden müsse - ohne Stoiber.

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