Corona-Hilfsprogramm:EU-Parlament fordert Änderungen an Rettungspaket

Lesezeit: 1 min

Eine Mehrheit verlangt besseren Schutz der Rechtsstaatlichkeit. Ideen für neue Steuern stoßen im Bundestag auf Ablehnung.

Von Björn Finke und Cerstin Gammelin, Brüssel/Berlin

Im Europaparlament herrscht Konsens, dass bei den Beschlüssen des EU-Gipfels zum Corona-Hilfspaket und zum Brüsseler Haushalt Änderungen nötig sind. Die Abgeordneten müssen dem Paket zustimmen; an diesem Donnerstag wollen sie zunächst eine Stellungnahme mit Kritik und Forderungen verabschieden. Bereits am Mittwoch einigten sich Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke auf einen gemeinsamen Entwurf dafür. In dem fünfseitigen Dokument verlangen sie einen üppigeren Haushalt, strengere Regeln zum Schutz des Rechtsstaats und mehr Einfluss des Parlaments bei Corona-Hilfen.

Parlamentspräsident David Sassoli sagte nach einem Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden, dass die Abgeordneten versuchen würden, "Antworten auf einige der Kürzungen zu geben, die wir für ungerechtfertigt halten". Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten sich am Dienstag nach mehr als 90 Stunden Verhandlungen darauf geeinigt, dass der Corona-Hilfstopf 390 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Zuschüssen verteilen soll. Der EU-Haushalt für die sieben Jahre von 2021 bis 2027 soll einen Umfang von 1074 Milliarden Euro haben. Das Parlament hatte zuvor ein deutlich größeres Budget gefordert. Zudem hatte die Kommission vorgeschlagen, mit Mitteln aus dem Corona-Topf wichtige Haushaltsprogramme aufzustocken, etwa zur Forschungsförderung oder dem Klimaschutz. Doch der Gipfel-Kompromiss sieht nun vor, diese Transfers drastisch zu kürzen.

Das Europaparlament wird wohl erst im September darüber abstimmen, ob es den Sieben-Jahres-Haushalt billigt. Deutschland hat im Juli die Ratspräsidentschaft übernommen. Daher wird die Bundesregierung die Verhandlungen mit dem Parlament führen. Dass die Abgeordneten das Paket durchfallen lassen und den pünktlichen Start der Corona-Hilfen gefährden, gilt als sehr unwahrscheinlich, doch werden die Politiker Zugeständnisse verlangen. Danach müssen auch noch die Parlamente aller Mitgliedstaaten dem Novum zustimmen, dass die Kommission in großem Umfang Schulden machen darf.

Um der Behörde das Begleichen der Schulden zu vereinfachen, beschloss der Gipfel, Brüssel neue Einnahmequellen zu erschließen. Aber die Idee, eigene EU-Steuern einzuführen, ist in vielen Staaten umstritten. In Deutschland äußerte sich die Unionsfraktion skeptisch: Brüssel die Befugnis zu erteilen, Steuern zu erheben, "lehne ich ab", sagte Eckhardt Rehberg (CDU), Haushaltsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, der SZ. "Die EU darf keine eigenen Steuern erheben." Und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) versicherte am Mittwoch in einer internen Schaltkonferenz, dass eine EU-Finanztransaktionssteuer und Digitalsteuer noch in ferner Zukunft lägen. Beide Abgaben werden im Abschlussdokument des Gipfels als Vorschläge genannt. Allerdings muss die Kommission erst Konzepte ausarbeiten, denen dann die Staaten zustimmen müssen.

© SZ vom 23.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: