Comeback in der Ukraine:Janukowitsch soll Regierungschef werden

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Er war der große Verlierer der Orangenen Revolution, jetzt kehrt er nach zähem Ringen an die Macht zurück. Ins Amt hilft dem pro-russischen Politiker ausgerechnet sein größter Rivale aus Revolutionstagen.

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko hat sich nach zähen Verhandlungen entschieden, den bisherigen Oppositionsführer Viktor Janukowitsch für das Amt des Regierungschefs vorzuschlagen. Janukowitsch benötigt zur Bestätigung die Mehrheit des Parlaments.

Beide Seiten hätten einen so genannten Nationalen Einheitspakt über die Leitlinien der ukrainischen Politik unterzeichnet, führte Juschtschenko aus. Dieses Abkommen galt als vorgezogene Koalitionsvereinbarung. "Wir haben die historische Chance auf fünf Jahre stabile Arbeit im Parlament", sagte der Präsident nach der Einigung.

Die Entscheidung für Janukowitsch sei ein Kompromiss zur Überwindung der politischen Spaltung des Landes, führte der Präsident aus. Streitpunkte waren die von Juschtschenko angestrebte Natp-Mitgliedschaft der früheren Sowjetrepublik sowie der Status der russischen Sprache im Land. Janukowitsch hatte bereits von 2002 bis 2004 die ukrainische Regierung angeführt. Ende 2004 war die zu seinen Gunsten gefälschte Präsidentenwahl annulliert worden. Die Wahlwiederholung hatte damals Juschtschenko gewonnen und Janukowitsch damit mit der Unterstützung hunderttausender Ukrainer aus dem Amt gejagt.

Nachdem Janukowitsch aus dem Amt gedrängt war, glaubte niemand mehr an seine Rückkehr. Doch der Politiker zeigte sich wandlungsfähig und kämpfte im Wahlkampf 2006 mit den Waffen seiner orangenen Gegner: Er engagierte US-Kampagnenexperten und zog begleitet von Rockbands durch seine Hochburgen im Südosten des Landes.

Zu verdanken hat der 56-Jährige Janukowitsch das Comeback auf die politische Bühne sicher auch seiner Hartnäckigkeit, mit der er den diesjährigen Wahlkampf führte. Ein "hungriger Politiker" sei hier am Werk, sagte ein westlicher Beobachter damals über die Kampagne des Chefs der "Partei der Regionen".

Seine Basis hatte Janukowitsch, dessen NATO-feindliche Äußerungen im Westen immer mit Skepsis gesehen wurden, im russisch geprägten Osten der Ukraine. In dieser industrialisierten Region wuchs er in armen Verhältnissen auf. Seine Mutter starb, als er zwei Jahre alt war. Die Karriereaussichten des jungen Janukowitsch waren zunächst wenig rosig. "Ich kam aus einer sehr armen Familie, und mein Lebenstraum war, aus der Armut auszubrechen", verriet er einmal Journalisten.

Dabei setzte er in jungen Jahren zunächst auf fragwürdige Methoden: 1968 verbüßte er eine Haftstrafe in einer Jugendvollzugsanstalt, und zwei Jahre später kam er abermals wegen eines Raubüberfalls ins Gefängnis. Die Strafen ließ er später aus dem Register tilgen.

Elektriker, Fabrikdirektor, Politiker

Später ließ sich der fast zwei Meter große Hüne zum Elektriker ausbilden und stieg allmählich auf. Im Industriegebiet Donezk wurde er Fabrikdirektor und später Gouverneur. In dieser Zeit wurde er Mitglied einer einflussreichen Gruppe, die ukrainische Experten als "Donezk-Clan" bezeichnen: eine alte Seilschaft aus dem militärisch-industriellen Bereich, die eine der Machtbasen des scheidenden Präsidenten Kutschma bildete.

Janukowitschs Ruf, gelegentlich auch mit heftigen Flüchen und sogar den Fäusten für seine Argumente einzustehen, haben seiner Beliebtheit in seiner Heimatregion keinen Abbruch getan, glaubt der Politikexperte Wolodimir Fesenko. "Das passt einfach zum Mythos eines willenstarken, strengen Staatschefs."

Nach der Parlamentswahl im März dieses Jahres hatte es zunächst nach einer Fortsetzung der so genannten Orangenen Koalition ausgesehen. Nach internen Querelen spaltete sich jedoch die Sozialistische Partei des Parlamentsvorsitzenden Alexander Moros von Juschtschenko und dessen Wegbegleiterin aus Revolutionstagen, Julia Timoschenko, ab.

Janukowitschs "Partei der Regionen" bildete gemeinsam mit Sozialisten und Kommunisten eine neue Parlamentsmehrheit. Nach der jüngsten Einigung mit Juschtschenko blieb zunächst unklar, in welcher Form die Präsidentenpartei "Unsere Ukraine" in der neuen Regierung vertreten sein wird.

© sueddeutsche.de/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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