Christchurch:"Einer der dunkelsten Tage"

Lesezeit: 3 min

Rechtsradikale Terroristen überfallen in Neuseeland zwei Moscheen, töten mindestens 49 Menschen und übertragen ihre Taten live per Facebook.

Der Attentäter hatte das Mittagsgebet abgewartet, zu dem sich freitags mehr Muslime versammeln als an anderen Tagen. Bewaffnet mit einem halbautomatischen Gewehr erschoss der selbst erklärte Rechtsextremist in der Stadt Christchurch bei einem Anschlag auf die Al-Noor-Moschee 41 Menschen, wie Neuseelands Polizeichef Mike Bush mitteilte. In einer weiteren Moschee wurden sieben Menschen getötet; der Hergang dort war zunächst unklar. Ein weiteres Opfer starb im Krankenhaus. 48 Menschen wurden wegen Schusswunden behandelt. Die Polizei nahm drei Verdächtige fest. Premierministerin Jacinda Ardern sprach von einem der "dunkelsten Tage Neuseelands", von einem sorgfältig geplanten Terroranschlag. Als Konsequenz kündigte sie ein verschärftes Waffenrecht an. "Unsere Waffengesetze werden sich ändern", versprach die Premierministerin am Samstag (Ortszeit). Der Tatverdächtige habe im November 2017 einen Waffenschein erworben. Bei ihm seien fünf Schusswaffen gefunden worden, darunter zwei halbautomatische, die er legal habe kaufen können, sagte Ardern.

Das Blutbad hat Neuseeland traumatisiert, das von Terrorismus und Gewaltkriminalität bisher weitgehend verschont geblieben war und sich als "stolze Nation mit 200 Ethnien und 160 Sprachen" betrachtet, wie es Ardern formulierte. "Wir stehen für Vielfalt, Freundlichkeit, Güte und Mitgefühl", fügte sie hinzu. Neuseeland biete jenen Zuflucht, die es brauchten, und sei ein Zuhause für alle, die "unsere Werte" teilen. Wegen seiner offenen Gesellschaft habe der Täter Neuseeland zum Ziel seiner Terrorattacke gemacht. Aber das Land werde seine Werte nicht aufgeben. In Neuseeland leben 4,9 Millionen Einwohner, unter ihnen etwa 50 000 Muslime, viele sind Einwanderer aus Pakistan oder Bangladesch.

Die Polizei gab zunächst keine Details über die Verdächtigen bekannt, der mutmaßliche Haupttäter hatte sich selbst aber im Internet als 28-jähriger Australier und auch mit seinem Namen identifiziert. Er soll an diesem Samstag einem Richter in Christchurch vorgeführt werden und ist des vielfachen Mordes beschuldigt. Wie die anderen Verdächtigen war er zuvor weder in Neuseeland noch in Australien den Sicherheitsbehörden aufgefallen.

Der Mann hatte den Terrorangriff allerdings im Internet angekündigt und ein rechtsradikales Manifest mit 78 Seiten hochgeladen. Er bezeichnet sich als Faschisten, wendet sich gegen Einwanderung und Muslime. Ausführlich geht er auf den norwegischen Rechtsterroristen und Massenmörder Anders Behring Breivik ein, der 2011 bei Anschlägen 77 Menschen tötete. Auf seiner Seite beim sozialen Netzwerk Facebook übertrug er in einem 17 Minuten dauernden Video seine Tat live. Er hatte eine Kamera an seinem Helm befestigt, er trug zudem eine schusssichere Weste. Die Aufnahmen verbreiteten sich im Internet schnell weiter.

Regierungschefin Ardern bat darum, diese Aufnahmen nicht zu verbreiten und appellierte an die Medien, nicht auf diese Weise "diesen Gewaltakt zu perpetuieren oder zu teilen oder noch zu befeuern". Die Süddeutsche Zeitung hat die Aufnahmen wie alle anderen verfügbaren Informationen ausgewertet, verzichtet aber bewusst darauf, Bilder aus dem Video oder von dem Täter zu verbreiten, um seinen Zielen keinen Vorschub zu leisten.

Der britische Innenminister Sajid Javid sagte nach der Tat, die sozialen Netzwerke müssten eine Mitverantwortung übernehmen. "Ihr müsst mehr tun, um die Werbung für gewaltsamen Extremismus auf euren Plattformen zu stoppen", schrieb er auf Twitter an Youtube, Google, Facebook und Twitter gerichtet. "Genug ist genug!"

Der australische Premier Scott Morrison zeigte sich schockiert über die antimuslimische Gewalt. "Wir verurteilen diese Attacke auf das Schärfste, die von einem rechtsextremistischen, gewalttätigen Terroristen begangen wurde", sagte er. Morrison bestätigte, dass einer der Festgenommenen aus Australien stammt.

US-Präsident Donald Trump verurteilte "das furchtbare Massaker in den Moscheen". Er versicherte Neuseeland die Solidarität der USA. Die britische Königin Elizabeth, formell auch Staatsoberhaupt von Neuseeland, sprach ihr Beileid aus und würdigte die Polizei und die Rettungsdienste. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "Anschlag, der gegen Muslime gerichtet ist. Er ist damit auch ein Anschlag auf die neuseeländische Demokratie und auf die offene und tolerante Gesellschaft", sagte sie.

Der bulgarische Geheimdienst prüft mögliche Verbindungen des Attentäters auf dem Balkan. Denn auf Waffen des Täters, die in dem Video der Tat gezeigt werden, sind Namen von Schlachten in Europa gegen die Araber oder die Osmanen zu sehen, darunter mehrere auf dem Balkan. Zudem habe der Attentäter im November historische Orte in Bulgarien besucht, sagte der bulgarische Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow am Freitagabend.

© SZ vom 16.03.2019 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: