China:Pandas haben Hunger

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Tierschützer in China sind alarmiert, denn den schwarzweißen Bären droht der Hungertod. Das Problem ist, dass der Bambus blüht.

Von Henrik Bork

Man könnte sie für verwöhnt halten. Wie anders sollte man es nennen, wenn sie nur ihre Lieblingsspeise fressen wollen? Aber natürlich ist das ein typisch menschlicher Gedanke. Wild lebende Pandas sind nicht verwöhnt. Sie haben lediglich das Pech, dass ihnen die Evolution nur eine einzige Nahrungsquelle gelassen hat: den wilden Bambus. Etwas anderes rühren sie nicht an. Und das ist ein Problem.

"Pandas vom Hungertod bedroht", heißt es nun in Schlagzeilen der chinesischen Presse. Der Grund: In mehreren chinesischen Provinzen blüht derzeit der Bambus. Das passiert nur ungefähr alle 60 Jahre - je nach Sorte ein wenig eher oder ein bisschen später. Er blüht auf, verstreut seinen Samen in alle Windrichtungen und stirbt ab. Für die Pandas wird er dann ungenießbar. Es dauert acht bis zehn Jahre, bis frischer Bambus nachgewachsen ist.

Auf der Suche nach blühendem Bambus

Besonders ernst ist die Lage derzeit im Pandareservat Baishuijiang in der Provinz Gansu im Nordwesten Chinas, einem der größten des Landes. "22 von 102 wild lebenden Pandas in unserem Reservat könnten verhungern", sagt Direktor Zhang Kerong am Telefon. Die 22 leben auf den abgelegenen Hängen zweier Bergketten, auf denen derzeit ein Großteil der Bambussorten Blüten trägt.

Reservatsleiter Zhang und seine Mitstreiter arbeiten nun mit aller Kraft an einem Rettungsplan. "Unsere Leute werden notfalls alte und schwache Pandas in andere Gebiete tragen", sagt Zhang. Die Naturschützer wollen also ein wenig nachhelfen bei dem, was die Pandas seit Jahrtausenden von Natur aus selbst gemacht haben:

Wenn auf irgendeiner Bergkette der Bambus blühte, dann wanderten sie so weit, bis sie eine andere Bergkette mit einer anderen, gerade nicht in Blüte stehenden Bambussorte gefunden hatten. Es gibt in China etwa 14 wilde Bambussorten, die für Pandas genießbar sind. Sie blühen normalerweise in verschiedenen Jahren.

Ernste Sorgen

Vielen der frei lebenden Pandas in China ist diese natürliche Wanderung allerdings nicht mehr möglich. Denn im Zuge des rasanten Wirtschaftswachstums sind ihre Reservate zersiedelt worden. "Weil überall neue Straßen, Brücken und Staudämme gebaut werden, können die extrem menschenscheuen Tiere der Bambusblüte oft nicht mehr ausweichen", sagt Li Ning vom World Wildlife Fund in Peking.

Noch aber besteht kein Grund zur Panik. Bei der letzten Zählung vor zwei Jahren haben Chinas Tierschützer festgestellt, dass die Zahl der Pandas seit den achtziger Jahren wieder deutlich gestiegen ist - von rund 1100 auf inzwischen 1596 frei lebende Tiere. 163 weitere sind in Gehegen und Tierparks zu finden, dazu kommen noch einige wenige in ausländischen Zoos. Nur ein relativ kleiner Teil der wild lebenden Population ist bis jetzt von der Bambusblüte bedroht.

Im "Pandabüro" des Pekinger Forstministeriums macht man sich trotzdem ernste Sorgen. "Wir wissen im Moment noch nicht, ob es bei diesen vereinzelten Bambusblüten in einzelnen Gegenden bleibt. Wenn daraus eine großflächige Blüte werden sollte, hätten die Pandas wirklich ein Problem", sagt Yan Xun, der stellvertretende Abteilungsleiter für Tierschutz.

Sogar Lammkeulen

Die letzte "großflächige" Bambusblüte gab es Anfang der achtziger Jahre. Sie fing 1980 mit dem Aufblühen des Bambus an versprengten Berghängen an - genau wie heute. 1982 und 1983 dann hatte sich die Blüte landesweit ausgebreitet. "Damals fanden wir auf einen Schlag die Skelette von 138 verhungerten Pandas", erinnert sich Yan Xun. In Presseberichten war sogar von 250 verhungerten Tieren die Rede.

Um die Wiederholung einer solchen Katastrophe zu verhindern, hat Yan Xun nun sämtliche 50 Pandareservate in China zu großer Wachsamkeit aufgerufen. "Wir haben in allen Reservaten verschärfte Patrouillen angeordnet, damit wir geschwächte Tiere finden, bevor sie verhungern", sagt der Pekinger Pandaschützer.

Reservatsleiter Zhang in Baishuijiang hofft noch darauf, alternative Nahrungsmittel für die Pandas zu finden. Doch der Beamte Yan Xun im Forstministerium ist da skeptisch. "Nur in Gefangenschaft aufgewachsene Pandas fressen auch Äpfel oder Karotten", sagt Yan. "Den wilden haben wir im Laufe der Jahre alles mögliche hingelegt, sogar Lammkeulen, aber sie wollen nur ihren Bambus."

© SZ vom 16.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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