Chaos in der SPD:Beck sitzt in der Falle

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In der SPD soll eine mutige Abgeordnete gehen - bleiben wollen jene, die das Chaos schufen.

Susanne Höll

Vor drei Wochen beschloss Kurt Beck in Absprache mit sich selbst den Kursschwenk der SPD hin zur Linken. Offenkundig konnte er zu diesem Zeitpunkt die Folgen seines Schrittes nicht absehen. Ansonsten hätte er den Mund gehalten. Dass Beck sich selbst und die SPD mit seiner im Grundsatz durchaus erwägenswerten Entscheidung mutwillig in eine Katastrophe stürzte, mögen ihm auch seine Kritiker nicht unterstellen.

Kurt Becks Schicksal ist eng mit dem Andrea Ypsilantis verknüpft: Bleibt sie Landesvorsitzende, kann er Parteichef bleiben. (Foto: Foto: dpa)

Aber die Katastrophe ist da, und ein Ende nicht in Sicht. Allein der Vorwurf des Wortbruches und der politischen Tölpelei wog und wiegt schwer genug. Mit den politischen Purzelbäumen der hessischen Möchtegern-Ministerpräsidentin Andrea Ypsilanti hat sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands der Lächerlichkeit preisgegeben. Sie wirkt ratlos und zerrissen.

In Wiesbaden scheint Ypsilanti weiterhin bereit, das Schicksal ihrer 145 Jahre alten traditionsreichen Partei einer wirr anmutenden Gruppierung ausliefern, die unter anderem mit der Verstaatlichung von Schlüsselindustrien liebäugelt. Auf ihrem Weg hin zur Macht schrecken die hessischen Roten unter Ypsilantis Führung auch nicht vor Mobbing zurück. Und sie konnten sich dabei sogar darauf berufen, dass sie von Beck und der gesamten SPD-Führungsspitze freie Hand erhielten.

Der Umgang mit der Darmstädter Abweichlerin Dagmar Metzger darf als kollektives Mobbing beschrieben werden. Metzger hat sich, jedenfalls nach allem, was man bislang weiß, korrekt verhalten. Sie lehnt aus politischen und persönlichen Gründen eine Zusammenarbeit mit der Linken ab und vertraute auf das Wahlversprechen, dass es zu einem solchen Bündnis nicht kommen werde.

Auch machte sie ihre Bedenken öffentlich und ersparte Ypsilanti damit womöglich das würdelose Ende, das Heide Simonis in Schleswig-Holstein erlebte. Nun tangieren Koalitionsentscheidungen normalerweise nicht das Gewissen der Abgeordneten. Wäre es anders, gäbe es im Bund vielleicht keine große Koalition. Doch statt Dagmar Metzger zu danken, dass sie Schlimmeres verhütete, verlangt man nun von ihr, das direkt vom Volk erteilte Mandat zurückzugeben. Das mutet an wie eine zweite Wählertäuschung.

Der Hessen-SPD geht es wie der CSU in Bayern und der Union im Bund. Sie begreift sich als natürliche Regierungspartei, hält jedwede andere Koalition für einen Betriebsunfall. Sie hat bis heute nicht verstanden, dass ihre Spitzenkandidatin Ypsilanti am Ende zwar Siegerin, aber nicht Ministerpräsidentin geworden war. Das bleibt Roland Koch.

Auch Beck mag in seinen Überlegungen vor drei Wochen zwischenzeitlich zu dem Schluss gekommen sein, dass der Partei und ihm als Vorsitzenden eine weitere SPD-Ministerpräsidentin gut täte auf dem Weg hin zur Bundestagswahl 2009, selbst zu einem hohen Preis.

Denn eine schwache Volkspartei im Bund stärkt sich gemeinhin mit der (Rück-)Eroberung der Macht in den Ländern, wie zuletzt das Beispiel der Merkel-Union bewies. Erst spät ließ er von Generalsekretär Hubertus Heil ein Machtwort verkünden.

Inzwischen ist Becks Schicksal eng mit dem Ypsilantis verknüpft. Bleibt sie SPD-Landesvorsitzende, kann er Parteivorsitzender bleiben, schließlich ist Ypsilanti nach Lesart der verunsicherten Bundespartei verantwortlich für die Vorgänge in ihrer hessischen Heimat. Und Beck hat ein zweites Netz.

Seine Kritiker in der Parteispitze, unter ihnen die Stellvertreter Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier sowie Fraktionschef Peter Struck, haben den Beschluss zum Linksschwenk nicht nur mitgetragen, sie haben ihn mitformuliert, auch wenn sie damit Rot-Rot in Hessen nicht ermöglichen, sondern verhindern wollten. Sollten sie den Vorsitzenden jetzt nicht mehr unterstützen wollen, müssten allerdings auch sie Konsequenzen ziehen - und ihre Parteiämter abgeben.

© SZ vom 10.03.2008/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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