CDU-Schwarzgeld-Prozess:Koch und der "Zusammenbruch des Vertrauens"

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Der hessische Ministerpräsident hat als Zeuge vor Gericht ausgesagt und schwere Vorwürfe gegen den früheren Bundesinnenminister Kanther erhoben.

Von Detlef Esslinger

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte am Dienstag als Zeuge vor dem Landgericht, der finanzielle und politische Schaden durch die Affäre sei dramatisch. Die Partei sei dadurch an die Grenze ihrer Handlungsfähigkeit gelangt.

Koch war in seiner Eigenschaft als Landesvorsitzender der CDU Hessen geladen; er wurde in dieser Position vor sechs Jahren Nachfolger von Manfred Kanther, der sich in dem Verfahren zusammen mit dem früheren Partei-Schatzmeister Casimir Prinz Wittgenstein wegen Untreue verantworten muss.

Ihr langjähriger Finanzberater Horst Weyrauch ist der Beihilfe zur Untreue angeklagt. Die drei Männer transferierten Ende 1983 rund 21 Millionen Mark aus dem Parteivermögen auf ein geheimes Konto in der Schweiz; nach Gutdünken stellten sie Teilbeträge der Partei in späteren Jahren wieder zur Verfügung.

Koch: "Friedlicher und kontinuierlicher Übergang"

Koch wiederholte am Dienstag seine frühere Angabe, von Kanther erst am 12. Januar 2000 über die geheimen Kassen informiert worden zu sein. Bei der Übergabe des Landesvorsitzes zwei Jahre zuvor habe es zwischen ihnen keine Gespräche über die wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben. "Es war ein friedlicher und kontinuierlicher Übergang", sagte Koch.

Dass die CDU Hessen über ein Geheimvermögen verfüge, sei für ihn auch im Dezember 1999, nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten, noch "außerhalb jeder Fantasie" gewesen. Auf der Grundlage von Wittgensteins Erklärung, dem Landesverband sei über die Jahre immer wieder Geld aus "jüdischen Vermächtnissen" zugeflossen, habe ihn, Koch, die Frage interessiert, wer die Vermächtnisgeber gewesen seien.

Grundsätzlich habe man Vermächtnisse für "selten und seltsam" gehalten, aber keinen Anlass gesehen, Wittgenstein zu misstrauen. Koch sprach mit Blick auf die drei Angeklagten vom "Zusammenbruch des Vertrauens". Der falsche Rechenschaftsbericht, den er damals unterschrieb, führte dazu, dass die CDU 41 Millionen Mark aus der Parteienfinanzierung zurückzahlen muss.

Erst am 12. Januar 2000 sei der Punkt gekommen, "an dem Herr Kanther glaubte, mich damit (dem Geheimvermögen, d. Red.) konfrontieren zu müssen". Kanther erweckte nach Kochs Erinnerung nicht den Eindruck, eine Aufklärung für dringlich zu halten. Was müsse man jetzt alte Sachen hochkochen, soll er gesagt haben.

Von Hypothesen, Spenden und Wahlkampfkostenerstattung

Zur Herkunft der 21 Millionen, die die Angeklagten transferiert hatten, lieferte Koch eine Erklärung, die er selbst als "Hypothese" bezeichnete. Zehn bis elf Millionen Mark seien im Laufe der Zeit als Spenden gesammelt worden. Acht Millionen habe die Partei 1983 als Wahlkampfkostenerstattung erhalten, nachdem es sowohl 1982 als auch 1983 in Hessen zu Landtagswahlen kam.

1,5 Millionen Mark habe die Partei 1982 an Zinsen eingenommen, ohne dass bekannt sei, wofür. Addiert ergebe das einen Betrag von gut 20 Millionen Mark, weshalb er es für unwahrscheinlich halte, dass es sich bei den 21 Millionen großenteils um den Schatz der Staatsbürgerlichen Vereinigung handele, einer als Verein getarnten Spendenwaschanlage.

Koch sagte, die CDU sei existenziell auf Spenden angewiesen, im Unterschied zur SPD, die sich aus eigenem Vermögen finanziere. Dass die Partei nun 41 Millionen Euro zurückzahlen muss, "entblößt uns jeder Risiko-Abfederung", sagte Koch.

© SZ vom 1.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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