CDU/CSU gegen Thierse:In herzlicher Feindschaft

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Wolfgang Thierse (SPD) hat verbal danebengegriffen, und zwar ziemlich. Das nutzen Unionspolitiker mit Freuden, um ihn gehörig abzuwatschen - eine ausgeprägte Abneigung gegen Thierse hat bei CDU und CSU Tradition.

Sarina Märschel

Dass Wolfgang Thierse in der Leipziger Volkszeitung mit dem Satz zitiert wird "Seine Frau im Dunkeln in Ludwigshafen sitzen zu lassen, wie es Helmut Kohl gemacht hat, ist kein Ideal", das kommt CDU- und CSU-Politikern gerade recht. Schon seit Jahren verbindet den Sozialdemokraten und die Union nämlich eine herzliche Feindschaft. Besonders die Beziehung zwischen Altkanzler Helmut Kohl und Thierse ist von Unfrieden geprägt: Kohl hatte im Jahr 2002 im kleinen Kreis, aber durchaus hörbar, über Thierse gesagt: "Das ist der schlimmste Präsident seit Hermann Göring." Göring war von 1932 bis 1945 Präsident des nationalsozialistischen Reichstags.

Wolfgang Thierse: Schon seit Jahren verbindet den Sozialdemokraten und die Union eine herzliche Feindschaft. (Foto: Foto: ddp)

Kohl erklärte später zwar, dass es ihm fern läge, ein Mitglied einer demokratischen Partei mit einem Mitglied einer totalitären Partei zu vergleichen - dementiert hat er seine Äußerung jedoch nicht. Stattdessen beschwerte sich der Altkanzler darüber, dass Journalisten seine privaten Gespräche belauschen würden. Thierse sprach von einer "ungeheuerlichen Entgleisung" Kohls - und war stinksauer. Statt einer Entschuldigung kamen vom Altkanzler aber nur neue Vorwürfe: "Herr Thierse ist nach meinen Beobachtungen - und der vieler anderer - der Bundestagspräsident, der sein Amt am parteiischsten ausübt."

"Ein Ärgernis für den deutschen Parlamentarismus"

Die "vielen anderen", das waren beispielsweise der damalige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Merz, der Thierse als den "schlechtesten Bundestagspräsidenten, den wir je hatten" betitelte und der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, der mit den Worten zitiert wurde, Thierse sei ein "parteiischer Bundestagspräsident, der fortlaufend enttäuscht, weil er mit zweierlei Maß misst", er sei "ein Ärgernis für den deutschen Parlamentarismus".

Die Feindschaft zwischen Thierse und der Union begann an einem Februartag im Jahr 2000: Thierse brummte der CDU 41 Millionen Mark Strafe für falsche Rechenschaftsberichte im Zuge der Parteispenden-Affäre um Kohl, Koch und Co. auf. Das hat ihm die Partei bis heute nicht verziehen. Dass Thierse dabei als Bundestagspräsident handelte und nicht als SPD-Politiker und dass ihm die Gerichte in seiner Entscheidung recht gaben, mildert die Wut bis heute nicht: Unionspolitiker warfen Wolfgang Thierse immer wieder vor, sein Amt parteiisch zu führen. Besonders ärgerten sich die Abgeordneten von CDU und CSU darüber, dass Thierse erst spät eingriff, wenn in Sitzungen Unruhe herrschte, während Unionspolitiker das Wort hatten.

Demütigung für Thierse

Als Quittung für sein angeblich parteiisches Verhalten als Bundestagspräsident verweigerten ihm zahlreiche Abgeordnete - mutmaßlich aus den Reihen der Union - bei der Wiederwahl zum Bundestagspräsidenten ihre Stimme, obwohl das Präsidium üblicherweise von allen Fraktionen gewählt wird. Thierse erhielt im Oktober 2002 nur 59,9 Prozent der Stimmen, das drittschlechteste Ergebnis der Geschichte. 1998 hatte er noch 76,9 Prozent bekommen.

Das zweite demütigende Wahlergebnis erhielt Thierse im Oktober 2005, als er bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestags gerade mal 69 Prozent der Stimmen erhielt. Bundestagspräsident Lammert schnitt mit 93 Prozent deutlich besser ab. Schwacher Trost für Thierse: Lothar Bisky von der Linkspartei erging es noch schlechter, er fiel in allen Wahlgängen durch.

Thierse ließ sich durch das Wettern der Union kaum aus der Ruhe bringen: "Mit dem Vorwurf der Parteilichkeit habe ich gelernt zu leben. Es ist den Unionsparteien bisher nie gelungen, ihn zu belegen. Und es wird ihnen auch in Zukunft nicht gelingen", sagte er einmal. Wenn sich deshalb eine andere Gelegenheit bietet, ihm eines auszuwischen - dann sind CDU- und CSU-Politiker gerne bereit, sie zu ergreifen.

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