CDU/CSU:Die nächste K-Frage der Union

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Unter heftigem Mitreden der FDP müssen CDU und CSU den Nachfolger von Johannes Rau finden.

Von Kurt Kister

(SZ vom 23.12.2003) — Im Mai des kommenden Jahres soll mit dem Umbau von Schloss Bellevue am Berliner Tiergarten begonnen werden. Das Bellevue, der Amtssitz des Bundespräsidenten, sieht von außen nobel aus. Im Inneren aber gibt es einen engen Fahrstuhl, eine bescheidene Dienstwohnung, veraltete Funktionsräume, und hin und wieder glaubt man, Jahrzehnte alten Westberliner Muff zu riechen.

Ach ja, bei der Modernisierung wird auch darauf geachtet werden, dass Aufzug, Hofpflaster und Treppen keine Hindernisse für Rollstuhlfahrer darstellen - so wie es sich bei öffentlichen Gebäuden eben gehört.

Am 23. Mai wird die Bundesversammlung den Nachfolger von Bundespräsident Johannes Rau wählen. Wie im stets klatschsüchtigen Berlin üblich, hat es der Spiegel aufgeschrieben, und die Koinzidenz der beiden Mai-Termine ist Gesprächsstoff auf Weihnachtsfeiern und Stehempfängen geworden: Jetzt bauen sie das Bellevue für den Schäuble um. Zwar hat das eine mit dem anderen ursächlich nichts zu tun, aber es passt halt so schön.

Kandidatenfrage ist noch ungeklärt

Noch ist die Kandidatenfrage innerhalb der Union, aber auch zwischen FDP und Union, offiziell ungeklärt. Die Stimmen der Liberalen werden in der Bundesversammlung den Ausschlag für das bürgerliche Lager geben. Also sonnt sich die FDP darin, dass sie endlich wieder einmal eine wichtige Entscheidung mitbestimmen kann. Dazu gehört das Spiel, in Hintergrundkreisen laut über die Aufstellung eines eigenen Kandidaten nachzusinnen.

Wolfgang Gerhardt wird da genannt. Dies ist sonderbar, denn schon in FDP-Kreisen, ganz zu schweigen von der Union, findet man kaum jemanden, der höchst vertraulich bereit wäre, sich vorzustellen, dass Gerhardt tatsächlich gewählt werden könnte.

Bei Wolfgang Schäuble ist dies anders. Zwar heißt die offizielle Sprachregelung, man werde sich mit der FDP Anfang des Jahres, spätestens im Februar, auf einen Kandidaten verständigen. Als ausgemacht aber gilt, dass Schäuble der Favorit ist. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel läuft auch noch mit - nicht zuletzt deswegen, weil bis hinauf in höchste Kreise der Union die Befürchtung besteht, dass dem selbstbewussten, oft harschen Schäuble etliche aus den eigenen Reihen in der Bundesversammlung die Stimme verweigern könnten.

Edmund Stoiber, am Anfang häufig als Kandidat genannt, wird sich nicht zur Verfügung stellen, auch wenn dies viele immer noch nicht glauben. Schäuble wäre kein bequemer Präsident - gerade für die CDU-Chefin und potenzielle Kanzlerkandidatin Merkel nicht. Er würde sich in die Politik im guten Sinne des Wortes einmischen und wäre wohl für jeden Kanzler, egal ob Schröder oder Merkel, das, was Richard von Weizsäcker für Helmut Kohl war. Aber Schäuble ist unter den absehbaren Kandidaten eindeutig der beste und in jedem Falle keine Verlegenheitslösung.

Gewiss, die Mehrheitsverhältnisse sind so, dass fast jeder gewinnen würde, auf den sich Union und FDP einigen. Mit Wolfgang Schäuble im modernisierten Bellevue allerdings könnte das Land gut leben.

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