Butige Unruhen:Boliviens Präsident setzt weiter auf das Militär

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Nach blutigen Ausschreitungen bei Protesten gegen die umstrittenen Gasexporte geht der bolivianische Präsident Gonzalo Sánchez de Losada weiter mit Härte gegen seine Gegner vor.

Die Armee bezog in der Nacht zum Dienstag mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen Stellung im Zentrum von La Paz und trieb hunderte Demonstranten auseinander.

Vier Minister erklärten aus Protest gegen das seit Tagen andauernde gewaltsame Vorgehen der Armee ihren Rücktritt; der Staatschef schloss jedoch einen Amtsverzicht aus. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften kamen allein am Montag 14 Menschen ums Leben.

Die Errungenschaften der Bevölkerung dürften nicht zerstört werden, um "eine neue Diktatur" zu errichten, "die Region gegen Region, Klasse gegen Klasse, Volksgruppe gegen Volksgruppe" gegeneinander aufbringen werde, sagte der 73-Jährige Staatschef nach einer Krisensitzung des Kabinetts mit der Führung von Armee und Polizei.

Die Demokratie dürfe nicht "durch eine Gewerkschaftsdiktatur" ersetzt werden. Sánchez de Lozada prangerte einen "vom Ausland finanzierten Komplott zur Zerstörung der bolivianischen Demokratie" an, deren Drahtzieher die indianischstämmigen Oppositionsführer Evo Morales und Felipe Quispe seien. Morales und Quispe wiesen die Anschuldigungen zurück.

Vizepräsident Carlos Mesa entzog Sánchez de Lozada das Vertrauen, sah aber von einem Rücktritt ab. "Als ein Bürger mit Prinzipien kann ich nicht hinter dieser Regierung stehen, wenn ihre Antwort auf Massenproteste der Tod ist", sagte Mesa, der auch Parlamentspräsident ist. Die Armee kündigte an, weiter gegen Demonstranten vorgehen.

USA bekundet Unterstützung

Die USA bekundetem dem bedrängten Staatschef ihre Unterstützung. Washington werde Versuche, die Regierung zu stürzen, "nicht tolerieren".

Um den Konflikt zu entschärfen, setzte Sánchez de Lozada den Export von Erdgas bis zum 31. Dezember aus. An der Frage des Gasexports über Chile nach Mexiko und in die USA hatte sich der Konflikt entzündet. Die verarmten Kokabauern und die Gewerkschaften kritisieren die niedrigen Gewinnspannen für das Land. Gegen Chile als Transitland für die Exporte gibt es Vorbehalte, weil das Nachbarland in einem Krieg 1879 Bolivien den Zugang zum Meer wegnahm.

Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas und verfügt nach Venezuela über die zweitgrößten Erdgasvorkommen. Die katholische Kirche Boliviens und die Ständige Kommission für Menschenrechte warfen der Armee vor, bei ihren Einsätzen in El Alto wahllos in die Menge geschossen zu haben. Unter den Opfern seien auch unbeteiligte Zivilisten und Kinder.

Bolivianisches Militär hat unterdessen eine Gruppe deutscher Touristen aus La Paz ausgeflogen. Die am Flughafen von La Paz/El Alto eingeschlossenen Touristen seien in der Nacht zum Dienstag durch Vermittlung der deutschen Botschaft mit einer Militärmaschine aus der Stadt gebracht worden, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Seit Beginn der Protestwelle Ende September kamen nach Angaben der bolivianischen Menschenrechtsvereinigung 58 Menschen ums Leben. Zwölf Zivilisten und ein Soldat seien am Montag in La Paz und El Alto ums Leben gekommen. Ein weiterer Zivilist sei von einem Polizisten bei Santa Cruz erschossen worden. Den Angaben zufolge fehlte es in den Krankenhäusern in La Paz und El Alto an Blutkonserven und medizinischem Personal.

Die Städte waren durch den Streik lahm gelegt, Banken und Geschäfte hatten geschlossen. Die Straßen waren nahezu menschenleer. La Paz gab es Plünderungen, ein Kaufhaus wurde niedergebrannt. Auch in Oruro, Cochabamba und Potosí wurde protestiert.

(sueddeutsche.de/AFP)

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