Bundestag nonstop:"Wir sind gnadenlos mit uns selber"

Kanzler Kohl kam zu einer nicht enden wollenden Sitzung spät nachts schon mal im Pyjama. Nun wappnen sich die Bundestagsabgeordneten für eine neue Rekordsitzung im Reichstag.

Für insgesamt 23 Tagesordnungspunkte ist eine Beratungszeit bis weit nach 03.00 Uhr in der Nacht zum Freitag eingeplant. "Wir sind gnadenlos mit uns selber", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt.

Er habe den SPD-Abgeordneten empfohlen, das gesamte Programm diesmal voll durchzuziehen. In den vergangenen Jahren waren mehrere bereits rekordverdächtig lange Sitzungstage deshalb nicht zustande gekommen, weil ermüdete Parlamentarier ihre Reden zu Protokoll gegeben hatten, um früher ins Bett zu kommen.

Die bislang längsten Parlamentssitzungen fanden in Bonn statt. Am 18. Juni 1998 tagten die Abgeordneten insgesamt 1065 Minuten am Stück - von 09.00 bis 2.45 Uhr - am Rhein. Bundeskanzler Helmut Kohl sei damals noch spät in der Nacht zu einer Abstimmung aus dem nahen Kanzler-Bungalow in den Plenarsaal herbeigeeilt, im Pyjama mit einem Regenmantel darüber, erinnerte sich Schmidt in der SPD-Fraktion.

Sitzfleisch wird schwächer

Dem Informationsdienst politikerscreen.de zufolge zogen sich die Bundestagssitzungen in der neuen Hauptstadt im Schnitt sieben Stunden und 31 Minuten hin - mit fallender Tendenz. Die Berliner Sitzungen des Jahres 1999 dauerten durchschnittlich acht Stunden und 34 Minuten. Bis 2003 verringerte sich dieser Wert kontinuierlich bis auf sechs Stunden und 57 Minuten. 2004 stieg er wieder bis auf sieben Stunden und 27 Minuten.

Der absolute Längenrekord wurde nach Angaben des Parlaments bei einer Sitzung im Jahre 1949 aufgestellt, als über die außenpolitischen Weichen für die junge Bundesrepublik heftig gestritten wurde. Damals ging man erst um 6.23 Uhr auseinander - nach 20 Stunden.

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