Bundesanstalt für Arbeit:Katastrophengebiet Arbeitsamt

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Seit sechs Tagen fragen sich nicht nur Juristen, ob die Vergabe eines hochdotierten PR-Vertrages ohne jede Ausschreibung in Ordnung geht. Eins ist jedenfalls klar: Die Bundesanstalt für Arbeit bleibt im Gespräch.

Von Robert Jacobi und Jonas Viering

(SZ vom 28.11.2003) — Harald Schmidt geht diese Uhr schon auf die Nerven. Auf seinem Schreibtisch zählt sie seit Dienstagabend die Tage, Stunden und Minuten, die Florian Gerster noch im Amt sein wird.

Nach der ersten Aufregung vermutete der Talkmaster dann schon am Mittwoch, dass die breite Digitaluhr wohl noch länger da stehen wird. Kein Wunder, sagte Schmidt, eine Behörde in Nürnberg zu leiten sei doch ein enormer Fortschritt für jemanden, der zuvor in Mainz gearbeitet habe.

Die entscheidende Frage

Sechs Tage regt sich die Republik schon über den Beratervertrag auf, den der Chef der Bundesanstalt für Arbeit allzu freihändig an eine schillernde Berliner Agentur vergeben hat. Die entscheidende Frage für Gerster ist, ob der Kanzler und der Wirtschaftsminister zu ihm halten.

Jenseits ermutigender öffentlicher Aussagen wird in den berüchtigten Regierungskreisen spekuliert, ob es nicht doch eine Tendenz gibt, den Behördenchef loszuwerden. Wolfgang Clement hält die fehlende Ausschreibung offenbar für einen Fehler, aber für einen, wie er eben im Geschäftsalltag mal vorkomme.

Vieles hängt von Gerster selbst ab. Am Freitagmorgen soll er den Wirtschaftsausschuss informieren. Die Union will, dass er den Vertrag offen legt - und gleichzeitig, wie CSU-Experte Johannes Singhammer ankündigt, die "komplette Öffentlichkeitsarbeit der Herren Clement und Gerster" überprüfen.

Die Opposition zielt auf Clement

Rücktrittsforderungen an Gerster gibt es trotz heftiger Kritik nur vereinzelt: Es hilft ihm, dass seine Grundlinie in Fragen des Arbeitsmarkts nicht weit von der Union entfernt ist. Die Opposition versucht lieber, die Sache gegen Clement zu wenden - wäre der Minister geschwächt, hätte sie einen strategischen Vorteil im Vermittlungspoker um die Reformgesetze.

Juristen beurteilen den Verzicht auf eine Ausschreibung kritisch. "Ausschreibungen sollen verhindern, dass das Geld der Beitragszahler oder Steuerzahler verschwendet wird, indem Aufträge auf dem Golfplatz vergeben werden statt öffentlich", sagt Professor Martin Burgi von der Uni Bochum der Süddeutschen Zeitung. Und er ist immerhin einer der führenden Fachleute auf diesem Gebiet.

Die Bundesanstalt beruft sich darauf, es sei halt sehr eilig gewesen mit der Kommunikationsberatung. "Eilig ist es immer", sagt Burgi. "Etwa bei Naturkatastrophen" könne auf Ausschreibungen verzichtet werden. Katastrophengebiet Bundesanstalt?

"Nach der Elbeflut mussten Krankenhäuser sehr schnell wieder aufgebaut werden - das ist rechtlich unter zwingender Dringlichkeit zu verstehen." Im Übrigen biete das Verfahrensrecht selbst "vielfältige Möglichkeiten der Beschleunigung, etwa in Form von abgekürzten Fristen bis herunter auf 15 Tage". Deutliche Worte, auch wenn Burgi sich natürlich nur zu den Grundsätzen des Vergaberechts äußern kann, weil er die Akten des konkreten Falles nicht kennt.

Die Sache liegt nun beim Bundesrechnungshof. Aber der "kann auch nur prüfen und rügen", sagte Burgi. Klagen könnten nur ausgebootete Konkurrenten der Beraterfirma WMP. "Wenn niemand klagt, ist die Sache vergaberechtlich gegessen, selbst wenn sie nicht rechtens gewesen sein sollte", resümiert Burgi.Unter PR-Experten hat es Grinsen ausgelöst, dass WMP und BA den Vertrag für 2004 lösen wollen, weil angeblich doch kein Beratungsbedarf mehr besteht.

"Sehr plötzlich" habe die BA das bemerkt, mokiert sich einer. Entweder sei der Auftrag von Anfang an in der Sache richtig gewesen - oder von Anfang an nicht.

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