Brown vs Blair:"Wann gehst du? Ich will den Job jetzt!"

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Blairs Rivale Gordon Brown ist durch das Wahlergebnis gestärkt - viele Briten erwarten, dass der Schatzkanzler bald Premier wird.

Von Gerd Zitzelsberger

Die britischen Konservativen hatten es seit langem gewusst. "Stimmt für Blair, und ihr bekommt Brown", lautete ein Wahlslogan der Opposition. So könnte es tatsächlich kommen, mutmaßt am Tag nach der Wahl die ganze Insel.

Viele Briten fragen sich, wann der langjährige Schatzkanzler (Finanzminister) Gordon Brown von seinem Rivalen Tony Blair das Amt des Regierungschefs übernehmen wird.

Blair hat zwar mit seinem dritten Sieg in Folge geschafft, was noch kein anderer Labour-Politiker vor ihm fertig gebracht hat. Dennoch gilt er jetzt als Übergangs-Premier.

Slogan als Eigentor

Mit ihrem Slogan gegen Brown wollten die Konservativen eigentlich unentschiedene Wähler abschrecken: Wer Labour wählt, sorgt dafür, dass eines Tages anstatt des moderaten Blair der linke Brown regiert, so die Warnung der größten Oppositionspartei.

Doch der Slogan erwies sich als Eigentor. Denn aus jenen 100 bis 200 Wahlbezirken, in denen zwei Parteien Kopf an Kopf lagen, kamen unerwartete Rückmeldungen. Den Wechselwählern sei Brown, das eher menschenscheue Arbeitstier, im Zweifel sogar lieber als Blair.

In der Öffentlichkeit steht Brown oft im Schatten von Blair. Der Premierminister kann richtig strahlen, doch bei Brown wirkt das Lachen immer ein bisschen gequält. Inzwischen aber, so zeigt das Wahlergebnis, hat sich Blair ein wenig verschlissen. Im Wahlkampf ließ Brown dem Premier stets den Vortritt - was nicht immer seine Art ist.

Nur einmal machte der Schatzkanzler richtig Schlagzeilen: Da saß er neben Blair und wurde gefragt, ob er, Brown, als Premier den Irak-Krieg auch geführt hätte. Schließlich war in Großbritannien bekannt, dass Brown über diesen Krieg nicht begeistert war.

"Eindeutig ja", antwortete Brown zur Überraschung der britischen Öffentlichkeit, die ihm diese ziemlich geheuchelte Antwort dennoch nicht verübelt hat, im Gegenteil. Brown habe Blair im entscheidenden Augenblick aus der Patsche geholfen, so die Reaktion.

In der Labour Party werden Blair und Brown völlig unterschiedlich wahrgenommen: Brown, der Sohn eines calvinistischen Pastors ist und sich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet hat, gilt als der Politiker, der etwas gegen Armut getan und die Situation von kinderreichen Familien verbessert hat.

Architekt des dritten Labour-Wahlsieges

Blair dagegen, Sohn eines wohlhabenden, konservativen Anwalts, konnte die besten Colleges besuchen; die Arbeiterbewegung kennt er mehr aus den Büchern als aus der Praxis. Hinterbänkler in der Partei geben dem Premierminister und seinen Beratern die Schuld für den Ansehensverlust der britischen Regierung.

Brown dagegen gilt als der wahre Architekt des dritten Labour-Wahlsieges: Er hielt in der ersten Legislaturperiode das Geld zusammen und half so dabei, dass in der Mitte der zweiten Legislatur Tausende neue Jobs auf der Insel entstanden.

Jetzt, da die Labour-Mehrheit zusammengeschmolzen ist, hat Brown im Kabinett eine noch größere Machtposition. Im Zweifel wird er es sein, der aufmüpfige Labour-Abgeordnete auf Linie bringen wird, nicht Blair. Browns Selbstbewusstsein ist ohnehin legendär: "Wann gehst du? Ich will den Job jetzt!", soll der Schatzkanzler einmal Blair angebrüllt haben.

Der Zeitpunkt für diesen Wechsel scheint jetzt näher zu rücken. Denn wenn es in Großbritannien zu einer Volksabstimmung über die europäische Verfassung kommt, dürfte Premierminister Blair jedenfalls aktuellen Umfragen zufolge verlieren. Dies wäre dann wohl der natürliche Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze der Regierung.

© SZ vom 7.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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